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Luther auf dem Reichstag in Worms
Heute vor 490 Jahren sollte Luther auf dem Reichstag in Worms seine Schriften widerrufen. Er tat es nicht, “weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist.” Daran hat Georg Magirius in Worms auf Einladung des Stadtkirchenpfarrers Dr. Achim Müller erinnert. Seine Rede über den angstvollen Helden Luther in der Magnuskirche war zugleich der Auftakt der Wormser Lutherdekade. Ihren Höhepunkt hat sie am 18. April 2021. Das Manuskript über Magirius’ Streifzug in die Freiheit ist hier. Das Foto stammt von Tobias Albers-Heinemann.
Der Beitrag Luther auf dem Reichstag in Worms
Hier stehe ich und kann nicht anders! Mit diesen Worten soll Martin Luther seine Rede auf dem Reichstag vor 490 Jahren beendet haben. Ein Ruf wie geschaffen für ein Denkmal. Ein Standbild verkörpert ja geradezu die Eigenschaft, standhaft zu sein. Und tatsächlich: In das Lutherdenkmal in Worms sind die Worte am Sockel angebracht: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Darüber steht er: Der Reformator, der Mutige, der große Freiheitsheld. Das Bild vom standhaften Reformators treibt manchmal kuriose Blüten: Nicht seit 490, aber seit fast schon 20 Jahren gibt es die sogenannten Luther-Socken: In Flieder, Schwarz-Gold oder auch Rubinrot, als Baby-Tauf-Socke oder als Handysocke. Ein Stück Selbstbewusstsein, das sich anziehen lässt: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Ein Satz ist zum Serienartikel geworden.
Allerdings hat Luther die legendären Worte wahrscheinlich nie gesagt, niemand hat sie aufgezeichnet. Der Satz ist ihm nach seinem Auftritt vermutlich in den Mund gelegt worden, weil man es schon damals gerne griffig haben wollte. Nur wenn Luther diese Worte nicht gesagt hat, dann war er vielleicht kein Super- oder Spidermann, kein James Bond, der selbst gefährlichste Situationen gelassen meistert. Und doch: Luther war mutig, nur ist sein Mut seltsam doppelbödig. Er ist stark, er kann herrlich und auch manchmal schrecklich polemisieren. Bilder von ihm zeigen eine imposante Gestalt. Aber dann ist da auch eine oft aufflackernde Angst, er hat innere Kämpfe zu bestehen. Mit Satan und Teufeln scheint er per Du zu sein. Vielen Lutheranhängern ist diese andere Seite überhaupt nicht recht. „Da ist er leider in altem Denken stecken geblieben“, heißt es. Aber ist seine Rede von den vielen Teufeln vielleicht nur realistisch? Denn für Luther war die Erde eben nicht der Himmel.
Der ängstliche Held
Wenige Tage, bevor Luther Worms erreicht, am 14. April 1521, schreibt er von Frankfurt aus an einen Freund. Wir sind endlich hier angekommen, ob auch Satan mich durch mehr als eine Erkrankung aufzuhalten bemüht gewesen ist. “Denn auf der ganzen Fahrt von Eisenach bis hierhin war ich unpässlich und bin es noch, so wie ich es bisher nicht gekannt habe.” Der vermeintliche Held ist panisch, krank fühlt er sich wie in seinen knapp 40 Lebensjahren zuvor noch nicht. Luther war ja Ketzer, in Bann, ein Abweichler, der aus der anerkannten Welt herausgetreten war. Der Kurfürst von Sachsen aber hatte erreicht: Luther dürfe seine Ansichten verteidigen.
Auf dem Weg nach Worms wird er von Anhängern gefeiert! Aber das beruhigt ihn nicht, er gesteht seine Schwächlichkeit. Salopp ausgedrückt: Luther steht ohne Luthersocken da, barfuß und ängstlich. Und dann: Übergangslos kippt seine Stimmung. In dem Brief vom 14. April aus Frankfurt heißt es weiter: “Aber Christus lebt, und wir werden nach Worms kommen, auch wenn alle Pforten der Hölle und alle bösen Geister unter dem Himmel sich dagegen stemmten.” WEITERLESEN