Spirituelle Wanderungen

Nebelriss

Kurz nach dem Nebelriss - Steinweinhütte Stetten bei Karlstadt

“Ankommen” lautet das Thema einer spirituellen Wanderung der Reihe GangART mit 25 Teilnehmern, die auf dem Weg von Retzbach nach Karlstadt im fränkischen Weinland von einem Nebelriss überrascht werden. Doch zunächst erweist sich das Thema Ankommen als mutig. Denn die Tour läuft in eine Region hinein, in der es keine Aussicht gibt – in den Nebel. „Zuflucht finden hat womöglich etwas mit Flucht zu tun“, sagt der Schriftsteller Georg Magirius, der die Wanderung mit Pfarrern Regina Westphal leitet. So ist man aus dem oftmals kantigen und kämpferisch-geschäftigen Treiben herausgetreten und landet im weichen Weiß. Und dann geht man auch noch eine Stunde still. Jeder tappst für sich und so, dass man gerade so das Wanderzeichen entziffert, ein oder zwei Mittappserinnen vielleicht noch sieht. Sonst ist da nur eine ganzkörperumhüllende weiße Feuchtigkeit.

Und Gott? Der war nun nochmals einige Jahre älter geworden

Kurz nach dem Nebelriss - Blick ins Maintal

Aber nicht nur das Wanderzeichen, das blaue M, nährt trotz Nebel die Hoffnung endlich einmal anzukommen. Es gibt auch ein biblisches Motto: „Zuflucht finde ich bei dem alten Gott und unter seinen ewigen Armen.“ Worte aus dem fünften Buch Mose. Das erzählt, wie die Israeliten bereits Jahrzehnte durch die Wüste gestapft sind, angezogen von der Aussicht auf Milch und Honig, die für die Zielankunft versprochen sind. Aber wieso denn alter Gott? Offenbar suchte man damals Zuflucht nicht in spirituellen Moden. Sondern griff auf einen als alt empfundenen Gott zurück. Oder auch hoch zu ihm hinauf. Jedenfalls wollte man sich unter seinen Armen geborgen fühlen. Nur wie ist das jetzt in Unterfrankens Nebel? Der alte Gott ist noch ein einige Jahre älter geworden. Und es stellt sich außerdem die Frage: Warum Zuflucht unter und nicht in seinen Armen? „Ich stelle mir das als Recht vor, frei und aufrecht umherzugehen und Gottes Arme sind dennoch da“, sagt eine Wanderin.

Irrsinniger Genuss

Der stille  Gang ist unterdessen vorbei. Und ein großes Fragen kommt auf, warum der Nebel sich denn nicht lichte und was exakt unter Ankunft zu verstehen sei. „Da ist unser Ziel!“, sagt Pfarrerin Westphal. Und erzählt von Geborgenheit in Augenblicken, wo man sie überhaupt nicht erwartet. Jesus bekommt kurz vor seinem Tod geschenkt: Tränen, Luxus, Zärtlichkeit – von Maria. Sie ist abgebildet am Rand des Fränkischen Marienwegs, unweit der Steinweinhütte. Doch nicht Mutter Maria ist gemeint, sondern jene Frau, die auf befreiend irre Weise Geld ausgab, um mit der wohlriechendsten Salbe des Orients Jesu Füße zu berühren. Und dann weint sie und wäscht die Füße und trocknet sie mit ihren Haaren. Sehr lang müssen diese gewesen sein. Die in religiösen Angelegenheiten besonders Regelkundigen schimpfen! Jesus aber sagt: „Sie hat ein gutes Werk getan.“ Das ist alles. Oder kommt noch mehr? Westphal und Magirius sprechen nun wohl schon zum siebten Mal von einem Offenbarungsort, als wäre das ein Gleichnis aus dem Neuen Testament, in dem das Reich Gottes mit einem Teig verglichen wird. Und er geht auf. Und weiter nichts.

Pfarrerin Regina Westphal vor Maria mit den langen Haaren - Tour Nebelriss

Nebelriss: Der Vorhang zerreißt

Vom Café Schrödl ist die Rede, das in Karlstadt liegt. Und dort wollen die Nebelgänger unbedingt hin. Und als der Name schließlich zum zehnten Male fällt, grollt kein Donner, der Vorhang aber zerreißt! Der Nebel lichtet sich, unten zeigt sich der Main, fast senkrecht an den Wanderschuhen vorbei sieht man ihn dort. An einem absturzsteilen Abhang ist man durchs fränkische Weinbergland balanciert und hat es nicht bemerkt. Fortan begleitet die Sonne die einstigen Nebeltouristen, bis sie vor die Tore Karlstadts kommen. Egal ob lachend, müde, froh, mit Ach im Herz, Nebel im Kopf, mit Wanderstäben oder leeren Händen – aufgenommen werden alle in den alten Mauern. Und es warten auf traditionsreiche Weise frisch gebackenen Hörnchen an dem Ort, dessen Name kein elftes Mal mehr ausgesprochen werden muss .Denn er ist real.

Die Reihe GangART

GangART ist eine von Georg Magirius und Regina Westphal begründete Reihe Spiritueller Tagestouren durch Spessart, Odenwald und Rhön. Aber auch durch Haßberge, Steigerwald, Fränkisches Weinland, Taunus und Schwarzwald. Resonanz erfährt die Reihe in der FAZ, in Publik-Forum-Extra, der Main Post, der Evangelischen Sonntags-Zeitung, Bayerischer Rundfunk, dem Genussmagazin Tiepolo und im Würzburger Sonntagsblatt. Zusammenarbeit zum Beispiel mit Herder Reisen, Propstei Rhein-Main, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, Goethe-Universität Frankfurt, Christen in der Wirtschaft, Erwachsenenbildung in Stadt Offenbach, Verein Andere Zeiten Hamburg. Informationen zu aktuellen Wanderungen sind hier.