Biblisches, Liebesgeschichten
Bibel lesen ohne Waffen
Proteste ruft das Buch “Traumhaft schlägt das Herz der Liebe” des Theologen und Schriftstellers Georg Magirius hervor. Ein Leser aus Perg hat dazu ermutigt, die in Kirchenzeitungen Österreichs veröffentlichten “Machwerke des biblischen Neuerzählers” dürfe man nicht widerspruchslos hinnehmen. Heilspraxis Aktuell berichtete. Doch auch in Thüringen regt sich Widerstand. Im Fokus steht Magirius’ Text “Überlebensstark durch Rebellion”. Veröffentlicht in den Mitteldeutschen Kirchenzeitungen vom 12. Mai 2013. Adam und Eva, erzählt Magirius, befänden sich in einer FKK-Ferienclubanlage. Dann aber haben sie die Belustigungen und das Wellness-Buffet satt. Stattdessen wächst der Hunger auf Erkenntnis, leckere Früchte und Eigensinn. Nun lautet die erregende Frage: Verschleiern Magirius’ Machwerke die Potenz der Militärs oder gilt am Ende umkehrt die Maxime “Bibel lesen ohne Waffen”?
Zu hungrig?
Warum verurteilt Magirius den Hunger nach Erkenntnis nicht? “Nach der Lesart des Autors ist das nun allerdings plötzlich keine Sünde mehr, sondern ein höchst lohnenswertes Unterfangen“, schreibt eine Rezipientin aus Sonnefeld im Leserbrief vom 26. Mai 2013. In der Katechetenausbildung der 80er Jahren habe sie gelernt, „dass die Menschen ihren Platz im Paradies verloren hätten, weil sie mehr wollten, als ihnen zustand.“ Nun habe Magirius im Jahr 2013 “den Inhalt und Sinn der Heiligen Schrift völlig entstellt und ins Gegenteil verdreht“. Die Zeitung sei ihrer christlichen Verantwortung nicht gerecht geworden! Denn sie habe das nicht unterbunden. Fazit: „Viele Leute denken heute nur noch laut und für die Öffentlichkeit. Sie geben bei jedem sich bietenden Anlass gefragt oder ungefragt ihre ganz persönliche Meinung zu Besten und sind zumindest für den Moment des ‚Im-Mittelpunkt-Stehens‘ so geblendet von ihrer eigenen Brillanz, dass sie mögliche Konsequenzen überhaupt nicht im Blick haben.“
Feigenblätter? Waffen!
Was hat Magirius’ Bibelentstellung konkret für Konsequenzen? Antwort: Waffenexporte – beziehungsweise deren Verschleierung. Darauf läuft ein Leserbrief aus Suhl zu, veröffentlicht in den Mitteldeutschen Kirchenzeitungen vom 9. Juni 2013: „Ich war ziemlich erschüttert, diesen Artikel zu lesen.“ Magirius behaupte, es hätte im Paradies Vergnügen und Langeweile gegeben. Falsch! Bis heute hätten die Menschen im Paradies gehörig zu schaffen. Es gelte nämlich Gottes Schöpfung zu hüten, den Garten zu bebauen. Erschütternd: Die Bedeutung der Feigenblätter werde in „diesem eigenartigen Beitrag von Georg Magirius völlig übersehen“. Bei diesen handle es sich nämlich nicht – wie der biblische Neuerzähler suggeriere – um Bekleidung, die Möglichkeit zur Verkleidung und Entkleidung. Nein, der wahre Sinn laute: “Waffen als Feigenblätter”, so Kretschmann. “Diesen Feigenblättern hat die Menschheit immer neue tödliche Formen gegeben und daran verdient. Deutschland ist gegenwärtig weltweit der drittgrößte Waffenexporteur.”
Die Rebellion musiziert weiter
Aber nicht Georg Magirius allein hat offenbar die militärpolitische Relevanz der Paradiesgeschichte nicht begriffen. Denn Ähnliches trifft auf Ingeborg Weiß aus Steyr zu, nimmt man ihren Leserbrief in der Kirchenzeitung der Diözese Linz vom 25. Juli 2013 zum Maßstab. Dort schreibt sie unter anderen über die Rebellionsgeschichte von Georg Magirius: “Danke für die Serie ‘Paare der Bibel’, die ich sehr zeitgemäß finde.” Vom FKK-Ferienclub-Protest fühlen sich darüber hinaus noch einige andere angezogen. Fast 100 Besucher verfolgten auf Einladung von Pfarrerin Meike Obermann in der Evangelischen Kirche Ueberau in Reinheim im Odenwald, wie Adam und Eva wieder einmal viel mehr wollten als ihnen zustand. Unter der energiegeladenen Interpretation der Harfenistin Bettina Linck verließen Adam und Eva das FKK-Ferienparadies in die “wilde Freiheit des alltäglichen Lebens”. Bekleidet, aber nach übereinstimmenden Zeugenaussagen ohne Waffen.
Explodierten die Feigenblätter in der Hochzeitsnacht?
Mochte Gott laut Magirius auch schimpfen und lärmen, die Auslegung der Paradiesverbannung blieb in Reinheim alles in allem friedlich. Auch blieben die Besucher der Konzertlesung bis zum Schluss. Und das ohne Protestgeschrei. Allerdings gab es dann doch einige Verluste zu beklagen! Denn sieben Ehemänner fanden ihr Ende – immer in der Hochzeitsnacht mit Sara. Aber nicht weil die Feigenblätter explodierten, die sie womöglich gar nicht anhatten. Sondern weil die Männer dem biblischen Urtext zufolge von Geist Aschmodai gemeuchelt wurden. Welche Waffen diesem zur Verfügung standen, darüber sage die Heilige Schrift nichts aus, behauptete Bibelinterpret Georg Magirius.
Witzig und wasserblau
Der Vorwurf einer von ihm nicht sonderlich brav vorgenommenen Bibelausslegung ist allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen. Schließlich empfindet auch Reiner Henn laut Rheinpfalz vom 27. August 2013 die Vergegenwärtigungen der Heiligen Schrift durch Magirius und Linck als nicht ganz ungefährlich. Es handle sich um konzertante Lesungen, “in denen es immer klassisch und biblisch, meistens mit augenzwinkernden Nebenwirkungen zugeht. Die spielen vor allem auf die schriftstellerische Färbung witziger, ja gar leicht satirisch abgründiger Gedanken an.” Alles in allem aber sei der Abend in der Stiftskirche in Kaiserslautern inklusive der Verbannung von Adam und Eva aus dem FKK-Ferienclub gut ausgegangen. Denn “o Wunder – sie überlebten.”
Stimmt ausgerechnet der rebellische Charakter von Musik und Wort friedlich?
Die Rheinpfalz schreibt weiter: “Gerade im richtigen Moment schwollen Harfenklänge an, umflossen perlend die seltsam anmutenden Geschichten und schnellten über vibrierende Saiten, dass es eine helle Sommerfreude war. Und jeder dachte an Wellengang und Wasserfall, erinnerte sich eigener sommerlicher Wasserfreuden. Kein Wunder, war doch der Kirchenchorraum in die Farbe wasserblau getaucht.”- Die Fotos des Beitrags “Bibel lesen ohne Waffen” stammen von Herbert Plöger und Friederike Schaab.
Der Stein des Anstoßes: Das Buch “Traumhaft schlägt das Herz der Liebe”
Georg Magirius hat das Buch “Traumhaft schlägt das Herz der Liebe” im Echter Verlag veröffentlicht. Es hat 160 Seiten, außerdem viele farbige Abbildungen von Marc Chagall. Heribert Handwerk und Thomas Häußner haben es übrigens lektoriert. Es kostet 14 Euro 90. Und die ISBN-Nummer lautet 978-3429035853. Weitere Informationen und Pressestimmen sind hier. Sünde oder wohlriechende Tugend? Die Geschichte um ein luxuriöses Parfüm aus dem Buch ist mit Harfenmusik von Bettina Linck zu hören in einer Aufnahme für den Deutschlandfunk hier.