Liebesgeschichten
Zwischen Liebestutor, Sinn und Satan
Ann-Kristin Schäfer widmet sich in ihrem Roman “Johanna und die Sache mit dem Sinn des Lebens” großen Angelegenheiten. Zum Beispiel Marxismus, Liebe, Gott, Satan, Sex und der Einverleibung beachtlicher Mengen Alkohol. Überraschend jedoch: Vor allem setzt die 24-Jährige in ihrem literarischen Debüt das vermeintlich Unbedeutende ins Recht. So geht sie der Frage nach, wie man als Jugendliche seinen Geburtstag mit Eltern, Oma und einer fabrikgefertigten Mandarinentorte aus der Tiefkühltruhe übersteht. – Der zwischen Liebestutor, Sinn und Satan spielende Radiobeitrag über den Roman im Deutschlandradio Kultur als Manuskript hier. Die Redaktion hat Philipp Gessler. Für den Ton verantwortlich ist Antonia Reinecke.
Sehnsucht nach mehr
Ann-Kristin Schäfer, die derzeit beim Nachrichtenmagazin Focus in München volontiert, schickt ihre Protagonistin Johanna auf die Suche nach einem Land, in dem Mandarinentorten und Durchschnittlichkeit ausgebürgert sind. „Sie will mehr“, sagt Schäfer im Interview im Deutschlandradio: „Johanna will etwas Besonderes sein, nicht wie alle anderen, sondern etwas Sinnvolles machen, etwas, das später Spuren hinterlässt.“ Die 17-Jährige gerät zufällig in eine christliche Gemeinde, wie man sie in vielen Freikirchen, aber auch in nicht unbedeutenden Teilen der Volkskirchen antreffen kann. Die Autorin, die selbst Erfahrungen mit entschieden frommen Gruppen hat, zeichnet ein Bild, das auf eine Weise profiliert ist, wie es soziologische Studien kaum können.
Lässt sich ein Kuss christlich-ethisch systematisieren?
Johanna spaziert durch die ihr neue Welt des Glaubens mit Skepsis und Sinn für Gefühl. Angezogen ist sie vom Enthusiasmus musikalischer Gottesdienste, lässt sich leiten von dem Wunsch, ganz und gar aufgehoben zu sein. Bald jedoch stolpert sie über ein Regelwerk, in dem die Lust an der Überraschung als Instrument des Satans gilt.
Das Veto des Liebestutors
Doch Johanna will sich ihre Sehnsucht nicht regulieren lassen, sondern das Unendliche am liebsten ergreifen und zu sich ziehen – oder ihren Freund schlicht und einfach einmal heftig umarmen, ohne Gott oder den ihr zugeordneten Liebestutor aus der Gemeinde um Erlaubnis bitten zu müssen. Wobei ohnehin klar ist, dass beide „Veto“ sagen würden. Ann-Kristin Schäfer: „Ich glaube, dass man Leuten nicht zu viel reinquatschen sollte. Ich würde jetzt keinem reinquatschen, der – was weiß ich – den ersten Kuss vorm Traualtar haben will. Es ist ja nicht meine Sache. Aber das Problem ist, dass man das dann als den einzigen richtigen Weg sieht und das dann jedem aufdrängen muss.“
Junger Marxismus und Vereinsmeierei
Weil Johanna das Fragen nicht lässt, entwindet sie sich den kirchlichen Enthusiasten. Und engagiert sich nun politisch, und zwar extrem links. Und alles ändert sich! Jetzt lebt sie frei, auch in Liebesdingen ist der Regelwahn verschwunden. Allerdings: „Im Prinzip wiederholt sich vieles“, sagt Schäfer: „Aber eben im Gegenteil. Und das ist ihr erst nicht bewusst. Mit der Zeit fällt ihr aber auf, dass es zwischen ihrem früheren Umkreis und dem neuen Umkreis Parallelen gibt, obwohl es auf den ersten Blick das absolute Gegenteil war.“ Da herrschen Kleinkariertheit, Eitelkeit und Machtgelüste – mal mehr und mal weniger kaschiert von der coolen Jacke der anvisierten totalen Weltverbesserung. So klettert Johanna gleichsam erneut aus der Schublade, in der sie sich hineinbegeben hat. Aber was ist denn nun mit dem Sinn? Doch, dem sei sie näher gekommen, nur anders als erwartet … – sagt die Autorin im Deutschlandradio Kultur … lesen.
Ann-Kristin Schäfer hat den Roman “Johanna und die Sache mit dem Sinn des Lebens” im Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag veröffentlicht. Er hat 352 Seiten, kostet 16 Euro 95. Und die ISBN-Nummer lautet 978-3-86265-248-8.