Franken, Spirituelle Wanderungen
Kurz vor der Gipfelbratwurst
„Jetzt ist der Gipfel fast erreicht“, vermutet eine Teilnehmerin. Und schon ist der Berggasthof im Munde der 20 spirituellen Wanderer, die unter Leitung des Theologen und Schriftstellers Georg Magirius dem bei Alzenau gelegenen Hahnenkamn nahe gekommen sind. Das Motto der Tour lautet: “Der richtige Weg”. Ihn zu finden ist auch nötig. Schließlich wird die zu erobernde Erhebung in Bergsteigerkreisen zuweilen Mount Everest des Rhein-Main-Gebietes genannt. Zu Recht! Denn kurz vor der Gipfelbratwurst wartet ein letzter und zwar äußerst tückischer Wegabschnitt.
Tückischer Abstieg kurz vor der Gipfelbratwurst
Eben noch waren Bergkäse und andere Köstlichkeiten für die Pilger aus Seligenstadt, Stuttgart, Mainhausen, Nauheim, Somborn, Froschhausen, Groß-Gerau, Frankfurt und Reinheim zum Greifen nahe. Doch mit einem Mal gehen die schwitzend errungenen Höhenmeter rapide verloren. Der Weg führt in eine scharf geschnittenes Tal hinab. Dort wartet das Umsonst. Der Blick zurück: Steil führt der Weg bergan. Jetzt umzukehren? Das ist keine Perspektive. Der Blick voraus: Auch da geht es heftig bergauf. Und nun?
Blick in den hellen Spessart
Vielleicht ist es die Kraft der kurz vor der Schlucht kursierenden Tüte mit Sauren Pommes, dazu das erste Herbstgebäck der Saison, das gelegentlich unter dem Decknamen Lebkuchen auftritt. Aus dem Abgrund heraus hangeln sich jedenfalls alle Wanderer hinauf zum Hemsbacher Kreuz, von dem aus sich der Blick in den hell aufgelegten Spessart öffnet. Und nun endlich führt der Weg in den Berggasthof Hahnenkamm hinein – oder besser: vor den Berggasthof. Denn die Sonne macht an diesem Herbsttag jedes Dach überflüssig.
Ferne Kontinente
Kurz darauf geht es den Ludwigsturm nach oben, der den Rhein-Main-Mount-Everest noch um einige Stufen zum Himmel hin verlängert. Die Augen entziffern ferne Kontinente: Wetterau, Taunus, Odenwald und Vogelsberg. Auch der eben beschrittene Pfad zum Gipfel lässt sich erahnen. Nur was ist aus dem unerklärlich unverschämten Tiefpunkt der Tour geworden? An der Stelle, wo jedes Weiterkommen unlogisch erschien, zeigt der Wald eine elegante Mulde. Welch eine Aussicht: Was sinnlos ist, lässt sich im Rückblick gewiss nicht als sinnvoll erklären. Der Weg aber zeigt in diesem Augenblick eine Tiefe und Stärke, die vielleicht am ehesten mit dem unaustauschbaren Wort ‘schön’ bezeichnet werden kann.
Kurz vor der Gipfelbratwurst – die Reihe GangART
Die Tour gibt es auch als im Bayerischen Rundfunk gesendete Reportage “Der Gang in die Geborgenheit“. Außerdem ist das Buch „Gute Aussichten“ von dieser Tour inspiriert. Schließlich sind Erfahrungen der Wanderung ins Buch “Frankenglück – 33 Orte zum Staunen und Verweilen” eingeflossen. Seit 2009 leitet Georg Magirius spirituelle Tagestouren der Reihe GangART, die er mit Pfarrerin Regina Westphal ins Leben gerufen hat. Die Reihe findet Echo zum Beispiel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, im Hessen Fernsehen oder im Rucksackradio des BR. Informationen zu aktuellen Touren hier.