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Der Wertschätzungs-Krampf
Die Danksagungskultur ist auf dem Vormarsch. Firmen, Kirchen, Vereine, soziale Organisationen überlegen, wie sie ein Klima der Wertschätzung erzeugen können. So stellt man Theorien auf, bietet Schulungen an. Ein hoher Aufwand für etwas, das so selbstverständlich sei, dass man es nicht trainieren brauche, sagt Georg Magirius in seinem Beitrag “Der Wertschätzungs-Krampf” im Evangelischen Frankfurt vom 31. Januar 2014. Denn soll man zu nebenstehendem Foto zum Beispiel “Super Trick!” sagen oder besser dem Leitfaden zum Ausdrücken von Wertschätzung folgen und “unserem jungen Vereinsmitglied” einmal mitteilen, dass es “keine Sorge” zu haben braucht, dass sein “Tun im Team und im Verein gewürdigt und wertgeschätzt” werde? Die Redaktion an dem Beitrag hat Dr. Antje Schrupp.
Der Beitrag “Der Wertschätzungs-Krampf”
Die moderne Art des Dankens klingt so: „Seien Sie gewiss, in unserem Team wird Ihr Wirken und Ihr Engagement von allen gesehen, es gilt uns als wertgeschätzt.“ So redet kein normaler Mensch, aber wenn es ein Leitfaden vorgibt, ist solch bizarres sozio-ökonomisches Kauderwelsch tatsächlich zu hören. Die Pointe: Es klingt nicht nur ökonomisch, sondern ist auch so gemeint. Man sagt nicht „gut gemacht“ oder „großartig“, sondern verwendet ein Wort, das in der Immobilienbranche geläufig ist. Dort schätzt man den Wert von Gebäuden ein. Und in der modernen Anerkennungskultur schätzt man den Wert eines Menschen ein, den er für die Organisation haben kann.
Wertschöpfung dank Wertschätzung – auf diese Formel hat es einmal Anselm Grün, Mönch und Betriebswirt, in erstaunlicher Offenheit gebracht. Anders gesagt: Wenn wir die Mitarbeiter lieben, klingelt die Kasse – egal ob in Firma, Kloster oder Kirche. In der Kirche dienen eingehende Gelder natürlich einem guten Zweck, etwa der Renovierung heiliger Gebäude oder dem didaktisch neuesten Spielgerät für christlich zu erziehende Kinder. Das Spendeneintreiben lässt sich in Akademien erlernen. Da heißt es dann: Das Danken ist eine entscheidende Ressource! Rasch soll es erfolgen – ruhig per Telefon, auf keinen Fall aber später als sieben Tage nach Eingang des Geldes. So steigen die Chancen, dass der wertgeschätzte Spender auch künftig Geld fließen lässt.
Unglaubwürdig abgeleierter Lobvorgang
Das Loben ist kalkuliert. Ermutigung erfolgt, wenn sie anderen etwas nützt. Wertschätzung? Das klingt ungeheuer sozial, human, korrekt, modern. Oft wird es aber genau dann eingesetzt, wenn jemand beschwichtigt werden soll. Es ist ein abgeleierter Lobvorgang, der in Wahrheit bedeutet: Gemessen an den hehren Zielen der Institution bist du irrelevant, falls du nicht Mehrwert bringst. Ansonsten werden die Komplimente eingestellt.
Wahre Ermutigung dagegen hört niemals auf. Sie folgt nicht der Sprache der Makler und erfolgt ohne jedes Ziel – außer vielleicht dem, dass das, was in mir leuchten will, auch leuchten darf. Es ist ein Loben, das den Menschen glänzen lässt. Es strengt nicht an, tut auch nicht weh, ist Ernst und Spiel zugleich. Man schaut einen Menschen an, freut sich und sagt: Ja.