Neues Leben
Mut lässt sich üben
Sie wollen nicht, dass es heißt “Opa erzählt vom Krieg.” Dann aber erzählen sie doch, wie sie die DDR erlebten, diese überlebten, weil sie schlicht leben wollten – und nicht nur so tun als ob. Sie haben unter Beschränkungen gelitten. Und innere und äußere Schranken geöffnet. Das war gestern, in Berlin. Das von Amet Bick verfasste Buch „1989 – Fünf Männer – ein Jahr“ spielt allerdings heute. Und überall. Denn beim Lesen gerät man ins Zentrum des Erzählten, selbst wenn man nicht in der DDR gelebt hat. Schließlich umrkeisen die Männer, die die Leidenschaft fürs Motorradfahren verbindet, immer wieder neu die Fragen: Wie kann das Leben genug Fahrtwind bekommen? Und wie findet das Herz den ihm von Anfang an zugedachten Rhythmus? Sie glauben: Mut lässt sich üben.
Wie will ich leben?
So kommt die friedliche Revolution auf eine Weise in den Blick, wie das keinem Historiker gelingt. Die Männer öffnen die Geschichte, indem sie Geschichten erzählen, nicht zuletzt von sich. Das klingt stark, weil sich so die Frage „Wie will ich leben?“ entfaltet. So wahrt das Buch den Glauben an das wunderbare Land Nirgendwo. Es weiß natürlich von der Unmöglichkeit, es zu finden. Und löst dennoch die Sehnsucht nach ihm ein. Denn die Protagonisten finden auf ihrer Lebensreise durch real existierende Länder Orte, wo sie sein können, wie sie sind. „Und keiner wundert sich darüber.“
Mut lässt sich üben
Das Buch steigert sich manchmal fast in einen Schrei nach Freiheit. Dann wieder ist es wie ein melancholisch-leiser Bittgesang, vom Leben nur ja nicht zu wenig zu erwarten. Und es ist ein Erziehungsratgeber. Denn er lehrt, sich niemals klein zu machen. Und dass „Mut nicht von Anfang an da sein muss, aber dass man ihn üben kann“, wie einer der Protagonisten sagt. Die Geschichten wühlen auf, weil Amet Bick sie nicht nur mitgeschrieben hat. Dadurch ist eine Komposition entstanden: Das Leben von Michael Heinisch steht unter dem Motto „Risiko“. Harald Zientik wird zum Paten der „Gerechtigkeit“. Mario Schatta erfährt „Freiraum“. Michael Thiemann repräsentiert den „Aufbruch“ und Martin-Michael Passauer steht schließlich für „Ausgleich“.
Fähig zum Triumph
Trotz dieser jeweiligen Akzentuierung sind die Kapitel miteinander verwoben. Das von den Männern Erzählte ist in der 3. Person wiedergegeben, also nicht in der ursprünglichen Ich-Version. Aber dennoch in direkter Rede. So ist der mündliche Stil noch spürbar, zieht beim Lesen ins Geschehen hinein. Andererseits entsteht durch diese – so lässt sich vielleicht sagen – gebrochene Unmittelbarkeit Weitsicht. Sie ermöglicht es der Autorin, Sätze zu prägen, die im Gedächtnis bleiben. Nur wirkt diese Erzählweise nicht ästhetisierend, sondern umgekehrt! Es ist ein kunstvolles Ineinander von Direktheit und Reflexion, von Authentizität und Akzentuierung, von Nähe und Abstand. So eröffnet sie den Porträtierten einen Raum, in dem sie sich ungestört und mit Wucht zeigen. Und am Ende? Da wirken sie alle gleichermaßen sympathisch, obwohl sie doch sehr unterschiedlich sind. Gemeinsam ist ihnen der Wille, sich niemals gleichschalten lassen. Sie sind verletzbar, zeigen sich als verletzt. Und sind fähig zum Triumph.
Das Buch “1989 – Fünf Männer – ein Jahr”
Amet Bick hat das Buch “1989 – Fünf Männer – ein Jahr” im Wichern Verlag veröffentlicht. Es hat 128 Seiten. Es kostet 12 Euro 95. Die ISBN-Nummer lautet 978-3-88981-383-1.