Liebesgeschichten

Hat die Liebe abgedankt?

Kirche in Mainhausen-Zellhausen - Ist sie ein Beispiel für die These "Hat die Liebe abgedankt?" Foto (c) Georg Magirius
Sachlich, nüchern, kühl: So schauen die Gebäude der Liebe heute aus.

Hat die Liebe abgedankt? Das Wort Liebe jedenfalls ist selten geworden. Selbst in den Kirchen, die als Liebesförder schlechthin gelten. Das behauptet der Schriftsteller Georg Magirius in seinem Beitrag im Evangelischen Frankfurt vom 30. Juni 2016. Laut Magirius mahnen die Kirchen vielleicht noch Nächstenliebe an, um die Welt ein Stückchen besser zu machen, wie sie es dann oft formulierten. “Dann spricht man aber eher von Solidarität oder Engagement, womit etwas gemeint ist, zu dem man sich selbst aufraffen kann. Aber das hat nichts mit jener Macht zu tun hat, die hinreißt, mitreißt und etwas bringt, wovor viele eine abgrundtiefe Angst zu haben scheinen: Kontrollverlust.” Die Kirchen zeigten sich hierzulande zumindest offiziell selten leidenschaftlich. Stattdessen träten sie eher sachlich, nüchtern und debattenfreundlich auf. So sähen heutige Kirchengebäude auch häufig aus, meint Magirius. Wie zum Beispiel das Evangelische Gemeindezentrum in Mainhausen-Zellhausen. Den Beitrag “Hat die Liebe abgedankt?” ist hier.

Der Beitrag “Hat die Liebe abgedankt?”

Das Wort Liebe ist selten geworden, scheint mir. Selbst in den Kirchen, die doch als Liebesförderer schlechthin gelten. Dort wird vielleicht noch Nächstenliebe angemahnt, um die Welt „ein Stückchen besser“ zu machen. Dann spricht man aber eher von Solidarität oder Engagement, womit etwas gemeint ist, zu dem man sich selbst aufraffen kann. Aber das hat nichts mit jener Macht zu tun hat, die hinreißt, mitreißt und etwas bringt, wovor viele eine abgrundtiefe Angst zu haben scheinen: Kontrollverlust.

Überschwang statt Thesen

Der Kontrollverlust wurde einst gefeiert: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“, heißt es in einem Lied im Neuen Testament, „aber die Liebe ist die Größte unter ihnen.“ Dieses Lied klingt entfesselt, es steckt mit seinem Überschwang an, vielleicht weil es der Liebe nicht um ein Stückchen geht, sondern ums Große. Ums Ganze. Um Alles. Das ist nichts Kühles und Kalkuliertes, sondern Leidenschaft. Und damit etwas anderes als ein Debattengegenstand. Als Thema sachbezogener Diskussionen tritt die Liebe in den Kirchen heute gelegentlich noch auf. Aber auch dann suche ich das Wort „Liebe“ nahezu vergeblich. Man spricht stattdessen über Lebensformen.

Der Urgrund der Liebe – das Nicht-Gemachte

Diskutiert wird, wie Menschen korrekt, unkorrekt, innovativ oder traditi­onell miteinander verkehren. Nur kommt man dem Geheimnis der Liebe näher, wenn man sie als Verkehrswesen versteht? Sie lässt sich doch in keiner Jugendverkehrsschule erlernen. Natürlich kann man Liebesschulen konstruieren und errichten, in denen man die korrekten Verkehrswege zur Anwen­dung und Durchführung eines Liebesgeschehens aneignen kann. Und am Ende würden Zeugnisse ausgestellt, dazu Liebesplaketten in Bronze, Silber und Gold vergeben.

Aber die Liebe, die sich besingen lässt, vergibt keine Medaillen. Sie ist das Größte, weil sie Grenzen spielend überschreitet und jeden Wettkampf verweigert. Sie verwandelt die Welt – und nicht nur ein Stückchen. Denn sie bleibt, wenn nichts mehr bleibt. Das Nichts also könnte der Urgrund der Liebe sein, das Nicht-Gemachte. Wenn ich nichts mache, nichts mehr will, kommt alles.