Allgemein
Reformation – und keiner geht hin?
Was ist los? Gefeiert wird die Reformation – und keiner geht hin. Das stellt der Kulturredakteur Reiner Henn in der Rheinpfalz vom 13. Februar 2017 fest. Ist das ein regionales Phänomen?, fragt er. Zum Auftakt des Reformationsjahrs in Kaiserslautern sei die Konzertlesung „Gerechtigkeit im Liegestuhl“ in der Stiftskirche schwach besucht gewesen. Theologen aus dem Dekanat, das Gros der Gemeindeglieder, Choristen und Gläubige der Region hätten die Veranstaltung ignoriert. Dabei fänden Angebote mit der Harfenistin Bettina Linck und dem Theologen Georg Magirius an anderen Orten bis zu 600 Besucher. So sei etwa kürzlich erst die Konzertlesung in der Kulturkirche Sankt Egidien in Nürnberg ausverkauft gewesen.
Der Duft der Gegenwart
Der Rheinpfalz zufolge hat sich der Abend zum Reformationsauftakt in Kaiserslautern Luther mit provokativen Fragen angenähert: „Findet sich die Gerechtigkeit aus Glauben heraus im Liegestuhl? Zeigt sich die gewonnene Freiheit des Christen nur im Sägen an Autoritäten? Zeigt sich die Erfüllung etwa im Duft eines teuren Parfüms?“ Magirius geht es also „nicht um eine historisch-authentische Retrospektive von biblischen Inhalten. Er aktualisiert biblische Themen, setzt sie in Bezug zur Wirklichkeit“. Das zeige sich an seinen bislang mehr als 20 veröffentlichten Büchern. So widme er sich im ‚Schmetterlingstango‘ dem Problem von Totgeburten oder gehe mit seiner ‚Fußball-Apotheke‘ mitten hinein ins turbulente Geschehen in Bundesligastadien.
Stadionjubel und französische Romantik
Magirius‘ Interesse am Stadionjubel schließe aber nicht die Aufmerksamkeit für Komponisten wie Felix Godefroid, Gabriel Pernié und Alphonse Hasselmans aus. Deren Stücke hätten den Reformationsabend in der Citykirche intensiviert. „Die Harfenistin machte mit ihren ausgefeilten Interpretationen bewusst, dass die hoch entwickelte französische Harfenschule ihre eigenen Meisterwerke hervorbrachte, die sie passend zu den Lesungen in vollendeter Spielkultur einbrachte.“ Außergewöhnlich an dem Abend außerdem: Der Mut, auf Widersprüche im Werk Luthers hinzuweisen und „den Reformator einer kritischen Analyse seiner so zerrrissen wirkenden Persönlichkeit zu unterziehen.“
Rhythmen des Glücks
Auch zum Auftakt ins Reformationsjahr in der Evangelischen Stadtkirche in Groß-Gerau sei die menschliche Seite Luthers „jenseits seiner bekannten Arbeit am Glauben“ deutlich geworden, schreibt Boris Halva von der Frankfurter Rundschau vom 4. Februar 2017. Von entscheidender Bedeutung sei der biblische Glücksrhythmus, also Textstellen, „die dem Reformator ganz persönlich Trost und Zufriedenheit spendeten.“