Abschied

Lebenshilfe Literatur

Moritz Stoepel. Wer seiner Stimme lauscht, spürt rasch: Lebenshilfe Literatur. (c) Veronika Sergl-Vahlenkamp

Der Schauspieler und Sprecher Moritz Stoepel gibt Dichterinnen und Poeten Stimme. Deren Texte verdeutlichen in der Sendung von Georg Magirius am 1. November 2017 im Bayerischen Rundfunk, dass die Trauer unergründlich sei. “Abschied – der Anfang von etwas anderem”, heißt die Sendung. (Sie lässt sich als Zeitungsbeitrag hier lesen.) Die Texte in der Sendung stammen von Siegfried Lenz, Karen Köhler, Bertolt Brecht, Arnold Stadler, Lenka Reinerová, Stefan Zweig und Robert Gernhardt. Sie zeigen: Abschied ist kein Problem, das sich im Stil eines Kreuzworträtsels lösen oder mithilfe der richtigen Bedienungsleitung aus der Welt bugsieren lässt. Stattdessen helfe die Sprache der Poesie, weil sie Abschied als Geheimnis verstehe. Somit kann verkürzt gesagt gelten: Lebenshilfe Literatur.

Die begrenzte Kraft der Riten

Indem die Literatur den Schmerz nicht überspielt, heißt es in der Sendung, findet sie einen Weg aus der Sprachlosigkeit. Diese sei das vielleicht bestimmendste Merkmal beim Abschiednehmen. Damit unterscheide sich die Sichtweise des Erzählens auch von Trauerriten der Kirchen. Sie helfen vielen offenbar nicht mehr weiter, weil oft überhaupt keine Trauerfeier mehr gewünscht werde. Auch die Alternativen moderner Bestatter, den Sarg bunt anzumalen und das Ende zu feiern, setzten sich nicht durch. Sonst wären neuerdings nicht Trauerknigges gefragt, die althergebrachte Regeln in Erinnerung rufen.

Die Widersprüchlichkeit der Psychologen

Auch die Trauerratgeber der Psychologen wirken laut Magirius angesichts der unauslotbaren Tiefe des Abschieds überfordert: “Über Jahrzehnte haben sie geraten, bewusst durch die sogenannten Trauerphasen hindurchzuwandern, den Toten schließlich loszulassen und ins Leben zurückzukehren. Aus derselben Branche heißt es jetzt: Bei schweren Verlusten hilft es gerade umgekehrt zu lernen, mit der Trauer ein Leben lang zu leben.”

Seelsorge in engagierter Form

Wie immer man sich dem Phänomen Abschied nähere: Solange man es zu regeln versucht, werden Ohnmacht und Sprachlosigkeit nur vertuscht, resümiert Magirius. Denn Abschiede seien unfassbar, unbeherrschbar, unergründlich. Statt nach einem allgemeingültigen Umgang mit ihm zu suchen, gelte es den Einzelnen in den Blick zu nehmen. Und er verweist auf den Theologen und Schriftsteller Arnold Stadler, der sagt: „Jedes literarische Buch, das seinen Namen verdient, ist eine Form von Seelsorge, und zwar in einer sehr engagierten Form. Es geht nämlich um eine einzelne Seele – das ist der Idealfall. Es geht nicht abstrakt um Totalitäten, nein, es geht um den Einzelfall – wie bei Jesus.“

Informationen zum Buch Abschied von Georg Magirius

Abschied - edition chrismon

Die Sendung “Abschied – Der Anfang von etwas anderem, Sendung von Georg Magirius ist an Allerheiligen 2017 auf BR2 gesendet worden. Birgitta Assheuer und Moritz Stoepel haben sie gesprochen. Marc Klaesius ist für den Ton verantwortlich. Lavinia Meijer spielt außerdem Metamorphosis von Philip Glass. Die Redaktion hat Wolfgang Küpper. Die Sendung ist übrigens angeregt von Georg Magirius’ Anthologie “Abschied – Geschichten von Loslassen und Neuanfangen”. Magirius hat sie in der edition christmon in Leipzig veröffentlicht. Annegret Grimm hat das Buch lektoriert. Es kostet 15 Euro und die ISBN-Nummer 978-3-96038-083-2. Weitere Informationen und Pressestimmen sind hier.