Franken, Spirituelle Wanderungen
Zwei Wege zum Genuss
Zwei Wege zum Genuss gingen 20 Pilgerinnen und Wanderer der Reise „Spirituell Wandern durch die Genusslandschaft Mainfranken“. Georg Magirius von der Reihe GangART hatte sie mit Herder Reisen im Mai 2018 veranstaltet. Die Teilnehmer kamen in den Spessartort Lohr von der Insel Föhr, der Schwäbischen Alb, der Mosel, aus St. Gallen, dem Emsland, Oberbayern, Hannover, Hessen, Baden, der Grafschaft Bentheim und Westfalen. In Lohr gerieten sie weder in urlaubstypischen Aktionismus noch legten sie sich in Liegestühle. Stattdessen machten sie sich auf, um unter Leitung von Georg Magirius eine besondere Ruhe zu erwandern.
Zwei Wege zum Genuss: Zur Quelle des Lebens
Sie gingen langsam und mit Pausen. Ihr Ziel? Keine Rekorde, sondern der Weg zur Quelle, der freilich nicht als Wanderkartenereignis missverstanden werden sollte. Denn die Quelle des sich durchs Buchental schlängelnden Baches selbst sieht man nicht. Dafür ist zu spüren, was die Quelle hervorbringt. Die Pilger gingen durchs Wasser. Und hörten sein Glitzern und schauten seinen Klang – so widersinng muss man das wohl formulieren, um das Fließen, Plätschern und Rauschen dieses Wasserweges ansatzweise auszudrücken. Es war ein stetes, infolge des Gehens unaufhörlich wandelndes Klingen, das hellhörig machen kann für jenes Geheimnis, das mitunter als Quelle des Lebens bezeichnet wird.
Glitzernd und kichernd
Quelle des Lebens – das ist natürlich auch nur ein Name neben vielen anderen, die sich dem allem zugrunde liegenden Geheimnis annähern wollen, ohne dass es sich deshalb begreifen ließe. In der Hoffnung, das Geheimnis greifen zu können, bauen manche prächtige Kirchen und Paläste. Mit Getöse und Gedröhn wird der Lebensgrund gefeiert, um ihn dann wieder mit peniblem Ordnungssinn kanalisieren zu wollen. Doch der Quellgrund selbst lacht solche Kanalisationsarbeiten aus. Denn schon die Kraft des Wassers erscheint nicht fassbar. So beunruhigt viele das Geheimnis des Lebens, das unerreichbar nah erscheint und dennoch frei und fern. In der direkt am Buchenbach gelegenen Klosterkirche Mariabuchen saßen die Quellensucher still, in Ruhe und ohne Gedröhn vor einer geschnitzten, 23 Zentimeter kleinen Figur: Maria, auf deren Schoß ihr Sohn liegt, tot. Und der Buchenbach hört nicht auf glitzern und zu kühlen und zu kichern und zu trösten.
Der zweite Weg zum Genuss
Der Geschmack des Lebens wird offenbar umso intensiver, je weniger man erreichen will. Und in Franken? Da erreicht man nichts. Das ist die Erkenntnis der Genusswanderung Nummer zwei, die durch die Weinberglandschaft zwischen Retzbach und Karlstadt führte. Denn der fränkische Wellengang hat die Gnade, zu keinen Höchstleistungen anzustacheln. Die Landschaft kann nicht besiegt, bestiegen und erobert werden. Sanft ist sie, nicht dramatisch und wirkt womöglich deshalb unbezwingbar. Man geht durch sie hindurch, ohne auf den Gedanken zu kommen, über sie hinwegtrampeln zu wollen.
Ein Leben ohne Audioguide
Die Gegend ermuntert dazu, sich im Weglassen zu üben. So ließen die Pilger das Reden, gingen eine Stunde still, hörten das hochfliegende Lied der Lerche. Und auf dem Wiesenpfad grüßte das vom Regen der Nacht feuchte Gras. Die Berührung mit dem Gras ließ sich noch viele Schritte später spüren und an den Schuhen sehen. In der Steinweinhütte bei Stetten war Rast. Es war bei Kilometer sieben, als der Luxus ein Zuhause fand – und das mitten auf dem Weg. Brot wurde mit Blick in die Weite gegessen. Wieder war es still, keine Erklärung nötig. Und klar schmeckte die Erkenntnis: Es gibt ein Leben ohne Audioguide. Denn die Landschaft sprach für sich.
Exzentrisch und einfach
Und am Ende? Keiner der Gehenden saß allein. Und die Teller vor ihnen waren nicht leer, quollen aber auch nicht über. Denn im Café Schrödl in Karlstadt lag vor den Weinbergpilgern ein überschaubar flaches Gebäck, das sogenannte Schrödlhörnchen, immer eins auf einem Teller. Dennoch handelte es sich dabei nicht um etwas Uniformes. Sich auf dieses eine Gebäck zu beschränken, war stattdessen ein Mahl voller Exzentrik. Nämlich ein aus der Lust an der Originalität geborener Verstoß gegen die verbreitete Sitte, im Café und auch sonst im Leben möglichst niemals etwas auszulassen.
Feierlich und langsam
Am Ende also war nur noch dieses Hörnchen wichtig. Nach 13 Kilometern ruhigen Gehens wurde es gegessen – bedächtig. Rasant allerdings reagierten die Geschmacksnerven. Sie erzählten es Gehirn, Körper, Seele, Geist und – wer weiß? – in diesem Augenblick der ganzen Welt: Du bist um dieses Genusses Willen heil.
Zugabe: Der Königsweg des Genusses
Die Reise „Spirituell Wandern durch die Genusslandschaft Mainfranken“ wurde einschließlich des Königsweges zum Genuss, der Biblischen Weinprobe, organisiert von Caroline Huber und Meike Röder von Herder Reisen und Georg Magirius von GangART. Die Reiseleitung hatte Meike Röder. – Termine aktueller Wanderungen sind hier.