Frankfurt
Die Kunst des lösenden Wortes
Ralf Weidner erzählt die Geschichte eines Rufes, der merkwürdig ist. Vordergründig präsentiert der 1967 Geborene in seinem Buch “Zwischen Start und Ziel” ein Sammelsurium an pointiert erzählten Anekdoten aus seinem Leben. Das ist nicht gerade wenig! Denn es liest sich amüsant und überrascht. Der Autor versucht erst gar nicht so zu tun, als ob das Leben ein Uhrwerk sei. Und doch haben Weidners leicht und lustvoll erzählte Lebenslichter ein untergründiges Thema. Es geht um die Kunst des lösenden Wortes, die er ernsthaft und ungewöhnlich leicht verkörpert.
Die Kunst des lösenden Wortes verleiht Leichtigkeit
Als der Erzähler einen nicht alltäglichen Ruf hört, hat er gerade selbst gerufen. Oder besser gesprochen. Er wolle Pfarrer werden, sagt der Jugendliche vor seinen Mitschülern in einer Berufsberatung. Die sind verblüfft! Aber auch er selbst. Dabei hat er er es doch gesagt. Nur wirkt das Gesagte für ihn neu und fremd. Zugleich scheint er in diesem Ruf wiederu heimisch zu sein wie nur in wenig anderem. Der Ruf liegt in dem Gerufenen offenbar schon länger, vielleicht sogar von Anfang an. Bereits als Kind ist da nämlich die Begabung, aufgewühlten Menschen ein Wort der Leichtigkeit sagen zu können. Er, der Zehnjährige, sagt es dem Vater, als diesem etwas widerfährt, das ihn tief in Frage stellt. Doch mit einem Mal ist durch den Mund eines Kindes dem Schweren das Unerbittliche genommen. Und es kann weitergehen. Außergewöhnlich: Der Autor trumpft mit solchen Geschichten nicht auf, erzählt sie stattdessen wie nebenbei. Dadurch zeigen sie Stärke.
Das Ziel der Reise
Der Kunst, ein lösendes Wort zu sagen, bleibt der Jungendliche treu. Aber es geschieht auf eine Weise, die nicht gerade üblich ist. Denn es geht nicht geradewegs ins Amt des Geistlichen. Und auch nicht mit Verspätung. Stattdessen erlebt er Umwege, die allerdings zu seiner besonderen Berufungsgeschichte gehören. Denn das Amt allein ist nicht das Ziel, das den künftigen Seelsorger antreibt. Er will mehr! Unendlich mehr: nämlich suchen und finden, gefunden werden und sich mitreißen lassen vom Leben, vom Größten und Kleinsten, vom Letzten und Ersten, dem Ewigen. Es lockt nicht ein Ziel, sondern das Ziel, alle jene Momente, bei denen man das Gefühl haben kann, die Uhr steht auf der Zwölf – und alles stimmt. Es ist das Haus, in dem der Lebenswanderer bleiben darf und will immerdar. (Auf dieses altertümlich klingende Wort “immerdar” kommt es diesem frisch und heutig schreibenden Autor übrigens besonders an.)
Worte, die weiterführen
So reist der Erzähler durch Länder und Berufe, überschreitet Grenzen, wechselt die Seiten. Aber nicht weil er sich untreu wird, sondern weil er mit Aufrichtigkeit durchs Leben gehen will. Er feiert das Leben, erlebt Gefahren, hat den Mut zum Irrtum. Da sind Zerstörung und ein großes Scheitern. Der Angst schaut er ins Gesicht. Dennoch bleibt es dabei, nein! Immer weiter enthüllt sein Leben den Ruf: Ralf Weidner ist Pastor. Ein Sich-Sorgender, ein Seelenbegleiter, der Vertrauen erweckt. Denn er weiß, dass das Leben Grenzen hat. Und er hört nicht auf danach auszuschauen, was hinter der Grenze lockt. Er sagt Worte, die weiterführen – um nichts anderes handelt es sich bei diesem Buch.
Das Buch “Zwischen Start und Ziel”
Ralf Weidner hat Architektur studiert, viele Jahre als Projektmanager für Immobilienprojekte gearbeitet wie den Bau des zur Frankfurter Skyline gehörenden Eurotheums. Seit 2013 ist er Pastor einer Gemeinde in der Nähe von Frankfurt am Main, seinem Geburtsort. Außerdem abeitet er als Referent für Wirtschaft, Arbeit und Soziales in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Sein Buch “Zwischen Start und Ziel” hat er im Verlag tredition veröffentlicht. Es hat 114 Seiten und kostet 10 Euro 99. Die ISBN-Nummer lautet 978-3-347-08414-8. Bestellmöglichkeit und Leseprobe sind hier.