Frankfurt, Spirituelle Wanderungen
Ein Leuchten im Tal
„Wo ist die Decke?!“, ruft einer der 12 Bezwinger des in Frankfurt liegenden Berger Höhenrückens. Die spirituellen Wanderer sind durch dessen Streuobstwiesen abgestiegen. Gefragt ist die Decke aber nicht etwa, um auf einem Erholungslager die Spuren körperlicher Verausgabung wegzuschlafen. Nein, die Tagespilger der Tour der Reihe GangART unter Leitung von Georg Magirius erkennen sich stattdessen im Berggänger Mose wieder. Er soll, als er vom Gipfel des Sinaimassivs abgestiegen war, so sehr geleuchtet haben, dass eine Decke über ihn geworfen werden musste. Sonst hätte sein Leuchten im Tal andere erschlagen. Aber wie kommt es zum Leuchten am Fuße des Lohrbergs im Oktober des Jahres 2020? Weil es zuvor „Leicht hinauf ins Freie“ gegangen ist. So lautet das Motto dieser Wanderung.
Durchbruch der Flachheit
Drei Stunden vor dem dringlichen Wunsch nach einer Decke: Während Nieselregen dem Berger Hang einen feuchten Glanz verleiht, indem er abwärts fällt, zieht es die meditativen Wanderer in die Gegenrichtung: hinauf! Eine gewisse Scheu ist am Fuß des Berger Hangs allerdings auszumachen. Schließlich gilt das Statement gegen die Flachheit in vielen Religionen als Sitz des Göttlichen. Keine Blitze! Aber ein Donnern ist am Berg zu hören: das Röhren von Flugzeugen. Doch statt dem Berg deshalb den Rücken zu kehren, nehmen die Wanderer es mit ihm auf, indem sie beten: „Gott, / du durchbrichst die Flachheit, / erhebe dich. / Du führst aus Tälern heraus, / erhöhe uns. / Du entkommst dem Schatten, / erleuchte uns. / Du verwehst alles Stickige, / wir himmeln dich an.“ (Aus: „Schritt für Schritt zum Horizont“)
Ein Leuchten im Tal
Als der einstige Steilhang des Mains erklommen ist, zeigt sich sehr viel Himmel und ein Streuobstwiesenleuchten. Die Farben von Äpfeln. Den Augen schmeichelt auch die Eleganz der Wolkenkratzer am Horizont, denen die Diesigkeit alles Kantige genommen hat. Ganz allein sind die Höhenluftgenießer nicht. Denn ab und an kämpfen sich Teilnehmende der LG Ultralauf in die Gipfelregion. Sie haben jedoch kaum ein Auge für die teppichartig ausgerollten Wälder im Tal. Denn noch 35 ihrer fast 70 Kilometer durch den Frankfurter Grüngürtel liegen vor ihnen. Die spirituellen Berggänger dagegen stehen still, sitzen, schauen. Manche komplettieren die kühle Feuchtigkeit außen mit warmen Getränken fürs Innere. Und alles ist vollendet, für die Dauer einer Rast. Dann überlassen die Wanderer die Höhe wieder dem Himmel und steigen abwärts. Und nehmen ein Leuchten mit ins Tal.
Die Reihe GangART
Die Hessische Kultur Stiftung hat die Tour “Leicht hinauf ins Freie” gefördert. Inspiriert ist sie vom Georg Magirius’ Arbeit an dem Buch “Stilles Frankfurt – 13 Orte zum Staunen und Verweilen”, das unterdessen bei Echter erschienen ist. Georg Magirius hat GangART 2009 gegegründet. Dabei handelt es sich um eine fortlaufende Reihe spiritueller Tagestouren durch Steigerwald, Haßberge, Schwarzwald, Taunus, Spessart, Fränkisches Weinland, Rhön, Odenwald und Frankfurt. Die Reihe findet Resonanz zum Beispiel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, im Domradio Köln, im Rucksackradio des BR, in der Zeitschrift “einfach leben“, im Deutschlandfunk, im Hessischen Rundfunk und in der Main Post. Weitere Informationen und Hinweise zu aktuellen Touren sind hier.