Neues Leben, Stille
Anleitung zum Meditieren
Der Pfarrer und Meditationsanleiter Eric Hahn aus Neckarsteinach regt an, zur biblischen Losung für den Monat Mai 2021 eine meditative Zermonie zu feiern. Hahn ist Vorsitzender und außerdem Geistlicher Leiter des Vereins “Meditation und Wege der inneren Achtsamkeit im Christentum”. Der Verein hat ein eher untypisches Profil, ist seiner Website zu entnehmen. Nämlich “möglichst wenige Sitzungen und Pöstchen” aufzubauen. Die Idee ist stattdessen, Anleitung zum Meditieren zu geben.
Tönen
Setze dich zu ungestörter Zeit an einen schönen Ort, vielleicht mit einer Kerze und Blumen. Setze dich aufrecht und entspannt hin, am besten ohne dich anzulehnen, vorne auf einen Stuhl, besser auf einem Schemel oder auf ein Meditationskissen.
Höre einen musikalischen Titel, der dich beruhigt. Geeignet sind etwa Songs von Simon und Garfunkel oder von Gila Antara. Oder Solveigs Song von Edward Grieg oder das Air der Suite No3 in D-Dur von Johann Sebastian Bach. Noch besser ist es, wenn du selbst spielst, tönst oder singst.
Pfannendeckel
Schlage eine Klangschale an, zur Not einen gut klingenden umgedrehten Pfannendeckel. Und zwar so, dass es einen schönen, nur langsam verklingenden Klang gibt, der dich beim Verklingen langsam mitnimmt in die Stille.
Verharre kurz in der Stille. Sinneseindrücke, Gefühle, Erinnerungen, Gedanken und alles, was sonst in den Kopf kommt nicht verdrängen, aber all dem auch nicht nachgehen, sondern es wie Wolken vorbeiziehen lassen und in der Gegenwart, in der Stille bleiben.
Wieder die Klangschale anschlagen und laut die Monatslosung aus den biblischen Sprüchen Salomos, Kapitel 31, Vers 8 in deinem Atemrhythmus mindestens dreimal oder häufiger lesen. Lieber zu schnell als zu langsam. Nach jeder Zeile erneut die Schale anschlagen, abschließend drei Mal:
(Gong)
Öffne deinen Mund (Gong)
für den Stummen (Gong)
für das Recht (Gong)
aller Schwachen (Gong, Gong ,Gong).
Das Bibelwort soll wie ein Mantra auf dich wirken: Nicht wir machen etwas mit ihm, sondern wir schauen, was das Wort mit uns macht.
Mund
Lies den folgenden Vortrag: Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihr Leben ist himmlisch“ (ihrer ist das Himmelreich, übersetzt Luther näher am Urtext), sagt Jesus von Nazareth unter der Überschrift: „Selig sind die, die nicht anhaften“ (meist übersetzt mit: „die geistig Armen“).
In heiligen Schriften, wenn man sie wie ich als Anwalt unseres wahren, voll entfalteten Selbst sieht, geht es um Nicht-Anhaften. Das ist für mich der gemeinsame Nenner von dem, was Jesus wohl gesagt hat und der Spruchsammlung der Hebräischen Bibel mit unserer Losung.
Wer ein erfülltes Leben führen möchte, sollte dem folgen, was in der Losung steht.”
(Erneut rhythmisch, vielleicht im Atemrhythmus mit Gong unterlegt betont sprechen:)
Öffne deinen Mund
für den Stummen
für das Recht
aller Schwachen.
Es geht hier also nicht um Gebote, nicht um Handeln aus moralischen Gründen. Das wäre Anhaften an einem Konzept statt „geistige Armut“.
Fragen
Gab oder gibt es Situationen, Lebensabschnitte, Beziehungen oder Orte, an denen du selbst stumm bist oder warst? – Wann in deinem Leben hattest du das allererste Mal das damit verbundene Gefühl? Und warum? – Was war die damit verbundene Situation? Warst du in irgendeiner Weise wehrlos, zum Beispiel als kleines Kind oder als Misshandlungs-, Kriegs- oder Unfallopfer, selbst wenn man dir nur immer wieder von einer Gefahr erzählt hat? – Hätte dir jemand beistehen können und dir geben, was du gebraucht hättest? – Überlege, wie du es dir selbst heute selbst geben könntest, übersetzt in das, was du heute brauchst, wenn dieses Gefühl auftritt?
Du brauchst dich nicht mundtot machen zu lassen, die nötige Kraft ist in Dir!
Du kannst Deinen Ruf hören und antworten auf das, was im Augenblick gerade dran ist.
Öffne deinen Mund
für den Stummen
für das Recht
aller Schwachen (auch für dich selbst!).
Lies die Losung noch dreimal mit der Klangschale im Rhythmus. Höre nochmal eine Musik oder musiziere, singe, töne, klinge selbst.
Wach
Lies dir nach einem Klangschalenklang abschließend folgenden Zen-Spruch vor:
Jedem von Euch lege ich`s ans Herz:
Leben und Tod sind eine ernste Sache,
alle Dinge vergehen schnell
und kein Verweilen ist im Augenblick.
Jedes von euch sei wachsam.
Keines sei nachlässig
Und seid niemals vergesslich.
Öffne deinen Mund
für den Stummen
für das Recht
aller Schwachen.
Verbeuge dich zum Abschluss kurz und tritt aus der Zeremonie heraus, ohne dich gleich wieder in Trubel zu stürzen.
Lesetipp und Anleitung zum Meditieren mit Eric Hahn
In ihrem Buch “Mundtot” erzählt Maria Langstroff, wie sie als junge Frau in schwerer Krankheit, Behinderung und dadurch auch in Diskriminierung lernt, ihre Stimme zu erheben. Es ist im Schwarzkopf-Verlag veröffentlicht. In Neckarsteinach leitet Eric Hahn Zeremonien in einer Gruppe an. Weil sie zur Zeit im Freien und mit großen Abstand untereinander staattfinden, können gegebenenfalls auch Gäste teilnehmen. Anfragen beziehungsweise Anmeldung bei Eric Hahn unter der Nummer 06229/933653. Georg Magirius hat in seiner Ökumenischen Vision für das 21. Jahrhundert Eric Hahns Arbeit im Bayerischen Rundfunk vorgestellt: die Vision lesen. Fotos von (c) Hans Braxmeier und (c) Georg Magirius. Die Ökumenische Vision hören: