Stille
Zwei Deutschlehrer im Freibad
Gehen zwei Deutschlehrer ins Freibad. Warnt der eine: “Genitiv ins Wasser!” Fragt der andere: “Wieso? Ist Dativ?” Diesen und weitere Freibadwitze hat der Kultur-Redakteur Dr. Jerzy Staus dem Beitrag “Freibadstille” von Georg Magirius zur Seite gestellt. Veröffentlicht ist die unterhaltsame Annäherung an den spirituellen Sinn des Freibads im Würzburger katholischen Sonntagsblatt vom 27. Juni 2021.
Auszug aus dem Beitrag “Freibadstille”
(…) Allein schon das Wort Freibad: Es widersteht den Leistungsfetischisten, denen alles Freie verdächtig ist, genauso wie das Baden. Sie buchen lieber ein Wellnesswochenende, das sich verwerten lässt. Denn das Wellnesswochenende ist ein Break, das sich letzten Endes rechnet, weil man dank ihm umso fokussierter in den Wettbewerb um eine vorzeigbare Lebensbilanz zurückkehren kann.
Ein Freibad liefert nichts
Ein Freibad dagegen ist nutzlos. Wohl deshalb nimmt die Zahl der Freibäder ab. Sie rechnen sich nicht, heißt es. So ist das mit vielem. Und doch gibt es nach wie vor erstaunlich viele Bäder, die den unverstellten Blick zum Himmel feiern und mich mit ihrer Uneffektivität beruhigen. Noch nicht einmal die Hälfte der Monate im Jahr nehmen sie am öffentlichen Leben teil. Welch eine ruinöse Bilanz, gemessen an der Maxime, dass alles ständig nützen soll. Freibäder haben mehr Ruhezeit als jeder Acker, der gleich mehrere Ernten pro Jahr liefern soll. Ein Freibad liefert nichts. Es dient überwiegend dem Nichts, weil es von September bis April zu jenen Orten zählt, die ertraglos sind.
Aura der Stille
Gegen diese Ruhezeit wurde einmal in einer Kleinstadt, in der ich samt Dauerkarte für das Freibad lebte, heftig protestiert: „Die großen Liegewiesen und die alten Bäume!“, ärgerte man sich. Sie stünden im Winter doch nur rum! Sie dürften sich nicht Sie dürften sich nicht absondern. Denn nicht nur im Sommer als Schwimmanstalt, sondern auch im Frühjahr, Herbst und Winter habe das Gelände dem öffentlichen Leben zu dienen. „Zum Beispiel als Park!“ Doch der Protest legte sich bald, er überzeugte nicht. Denn ein Freibad betört offenbar noch immer viele, nicht zuletzt dadurch, dass es die meiste Zeit nichts anderes tut als zu ruhen. Und diese Pause lässt sich noch nicht einmal als Nebensaison verwerten. Gerade aus dieser Ruhezeit jedoch, scheint mir, bezieht ein Freibad seine Aura der Stille, der kein noch so hitziges Gewimmel etwas anhaben kann.
Heilige Freibadwiese
So betrete ich nach dem Passieren der Kasse die Freibadwiese mit meiner Sehnsucht, nicht immerzu Saison haben zu müssen. Ab sofort bin ich für die effektivitätsverrückte Welt nicht mehr zu sprechen. Ich ziehe die Schuhe aus, um unter meinen Füßen das Gras zu spüren. Vielleicht ist das gar nicht sehr viel anders als bei Mose, als sich ihm Gott vorstellte. Mose zog die Schuhe aus und betrat den Boden, der heilig war. (…) WEITERLESEN.
Das Buch zur Freibadstille
Der Beitrag “Freibadstille” ist inspiriert von dem Buch “Stille erfahren – Impulse für Meditation und Gottesdienst”. Georg Magirius hat es im Herder Verlag herausgegeben. Das Buch enthält Beiträge von Amet Bick, Manuela Fuelle, Uwe Kolbe, Georg Magirius, Ann-Kristin Rink, Bernardin Schellenberger und Arnold Stadler. Es hat 128 Seiten, ist gebunden und kostet 18 Euro. Dr. Esther Schulz und Jochen Fähndrich haben es lektoriert. Für den Satz verantwortlich ist Barbara Herrmann aus Freiburg. Die ISBN-Nummer lautet: 978-3-451-34996-6. Weitere Informationen und Pressestimmen sind hier.