Allgemein, Frankfurt
Plädoyer fürs Quietschen
Fragen stellen, frech sein und ruhig einmal den seriösen Tonfall verlassen – das führt zu einem Erkenntnisgewinn, sagt die Pfarrerin Regina Westphal. Am 19. März 2022 um 16 Uhr schlüpft sie in der Frankfurter Stephanuskirche bei einem Orgelkonzert in die Rolle der Orgelmaus. Stefan Küchler interpretiert zum 10-jährigen Jubiläum der Fischer und Krämer Orgel bedeutende Stücke, etwa von Johann Sebastian Bach. Nur bringt der Propsteikantor kaum eins in Ruhe zu Ende. Denn Trudi liebt das Unterbrechen. Andere ausreden oder zu Ende spielen zu lassen, gilt als Tugend. Die Orgelmaus aber ist nicht tugendsam. Dafür sei sie, sagt Westphal, “frech, witzig, stellt ständig Fragen.“
Plädoyer fürs Quietschen
Westphal arbeitet als Gemeindepfarrerin, zunächst 12 Jahre in Seligenstadt und Mainhausen, seit 2015 in Frankfurt-Unterliederbach und seit 2019 auch in Frankfurt-Griesheim. Oft ist sie nur wenige Armlängen von Orgelpfeifen entfernt tätig. „Aber dass es das Instrument bereits im alten Ägypten gab, habe ich erst durch die Orgelmaus erfahren.“ Das Konzert von Karl Peter Chilla ist für Kinder gedacht. Und dadurch besonders geeignet für Erwachsene, sagt die Handpuppenspielerin. Denn es führe nicht nur zu einer kognitiven Wissenserweiterung, sondern sei ein Plädoyer fürs Quietschen. Also dafür, einmal zuzugeben, nicht alles zu wissen und zu können. „Oft heißt es: Erwachsene sollen das Leben im Griff haben.” Alles solle wie geschmiert gehen. “Deshalb versuchen sie zum Beispiel möglichst tief und souverän zu sprechen.“ Die Orgelmaus freilich weiß mehr vom Leben, weil sie nicht seriös ist, sondern vorlaut.
Tierisch alltagstauglich
Westphal hat 2009 GangART ins Leben gerufen, eine Reihe spiritueller Wandertouren. Mehrere Pilgerbücher hat sie veröffentlicht. Sie war zu Gast im Rucksackradio des Bayerischen Rundfunks, führt an schauderhafte Plätze und ist Patin des im Hessen Fernsehen vorgestellten Nibelungensteigs. Außerdem ist sie Autorin und Sprecherin geistlicher Essays für die Kulturwelle des Hessischen Rundfunks, die wegen ihrer Alltagstauglichkeit nicht überall auf Zustimmung stoßen. Dass das Alltägliche und Tierisches zum Leben gehört, ist für sie selbstverständlich: “Die Orgelmaus spricht mit Mausstimme, also auch mal quietischig, das macht mir besonders Spaß.”