Biblisches
Muttersöhnchen kämpft
Beim Freistilringen gibt es zwei Runden, beide sind drei Minuten lang, dazwischen liegen 30 Sekunden Pause. Am Ende sind die bestens trainierten Sportler völlig außer Puste. Doch manche kämpfen länger. Jakob ist so einer: Er ringt die ganze Nacht ohne Pause. Dabei war er doch ein Muttersöhnchen! Über das Muttersöhnchen im Kampf berichtet Georg Magirius in der Berliner Wochenzeitung “Die Kirche” vom 3. April 2022. Die Redaktion des Beitrags “Kämpfen: Gottes Nähe in der Nacht” hat Sibylle Sterzik. Das Foto stammt von Herbert Aust, Pixabay.
Der Beitrag “Muttersöhnchen kämpft”
Es gab kein Telefon, kein Internet, weder Autos noch Flugzeuge. Aber zumindest in einer Hinsicht war man in biblischen Zeiten auf dem gleichen technischen Stand wie heute: Es gab keine Zeitmaschine, mit der man in die Vergangenheit oder in die Zukunft reisen konnte. Nur ob damals schon der Wunsch nach Zeitreisen bestanden hat? Viel spricht dafür. Denn oft holt die Bibel Vergangenes hervor, damit es nicht vergilbt. Sie malt das Alte in frischen Farben. Und sie blickt in die Zukunft. Und malt mit ähnlich starken Farben aus, wie es eines Tages werden wird.
So könnte sich auch Jakob, von dem das Alte Testament erzählt, gefragt haben: Wie wird es in der Zukunft? Einmal angenommen, er wäre mit der Zeitmaschine in die Zeit Jesu gereist. Dann hätte er dessen berühmte Bergpredigt hören können. In ihr ermutigt Jesus, dem Übel nicht kämpfend entgegenzutreten. „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel.“ Ohrfeigen hinnehmen und und dann auch noch die andere Backe anbieten? Was hätte Jakob gedacht? Er wäre wohl hin- und hergerissen gewesen.
Muttersöhnchen
Völlig unsympathisch wird ihm das nicht gewesen sein, war er selbst doch kein großer Kämpfer. Wenigstens keiner, dem man das angesehen hätte. Sein geringfügig älterer Zwillingsbruder Esau dagegen war wild. Der hatte eine raue Haut, stromerte herum. Jakob dagegen war „ein ruhiger Mann und blieb bei den Zelten“. Jakob war der Liebling der Mutter, ein Muttersöhnchen. Allerdings hielt ihn das nicht davon ab, kräftig um seinen Vorteil zu kämpfen, was früh begann. Als sein Bruder kurz vor ihm geboren wurde, hielt Jakob ihn an der Ferse. Zu gern wäre er der Erste gewesen.
Tatsächlich luchst er dem Bruder später den Segen des Erstgeborenen ab. Er täuscht den Vater, der nicht mehr gut sehen kann: Jakob bindet sich ein Fell um seine Arme. Schon fühlt sich seine weiche Haut wie die des wilden Bruders an. Und der Vater hält ihn für Esau. Vielleicht hätte Jakob sich bei Jesu Worten deshalb auch geschämt? Weil er dem Bösen nicht widerstrebt, sondern gegen das Recht verstoßen hatte? Trotzdem ruht der Segen auf Jakob, sagt Gott. Aus ihm wird ein großes Volk werden, in dem einmal alle Geschlechter der Erde gesegnet sein werden. Das Böse hat dann nur noch schlechte Chancen, weil man sich nicht mehr bekriegt, sondern einander hilft.
Zorn war ihm vertraut
Wenn Jakob an diesen alle Grenzen überwindenden Segen dachte, stimmte er Jesu Worten zu. Denn Jesus wollte mit seiner Bergpredigt ebenfalls, dass das Kämpfen zwischen Menschen und Völkern ans Ende kommt. Aber deshalb jemandem, der von einem den Rock will, auch noch den Mantel geben? Die Idee Jesu war bizarr. Nicht nur für Jakob, der aus einer zurückliegenden Zeit angereist war. Dafür gibt es ein prominentes Beispiel, das Jakob mit einem minimalen Berühren des Zeitpedals erleben konnte: Petrus hieb einem der Soldaten mit dem Schwert ein Ohr ab, als sie Jesus gefangen nahmen. Das belegt: Auch ein Jünger Jesu unterdrückte nicht jegliche Kampfesregung. Und Jesus selbst, erzählen die Evangelien, war oft genug ein Meister im Widersprechen und Widerstehen. So etwas wie Zorn war ihm jedenfalls vertraut.
Das wird Jakob sympathisch gewesen sein. Denn einmal hatte er, das einstige Mamakind, aufs Heftigste gekämpft. Dabei konnte er nicht wie sonst mit List agieren. Denn auf diesen Angriff hätte er sich unmöglich vorbereiten können. Er geschah nachts. Vor dem Wiedersehen mit dem von ihm betrogenen Bruder. Er hatte Angst. Und fragte sich womöglich: Ob der erschlichene Segen überhaupt noch auf ihm ruhte? Allerdings wurde nicht Esau zum Gegner in dieser Nacht, ein Unbekannter stellte sich ihm am Fluss entgegen. Sollte Jakob fliehen? Oder sich kampflos ergeben? Jakob wich nicht aus … Weiterlesen.
Das Buch “Meine Bibel”
Der Beitrag “Muttersöhnchen im Kampf” ist angeregt vom Buch “Meine Bibel – Impulse fürs Hier und Jetzt”. Georg Magirius hat es im Coppenrath Verlag veröffentlicht. Es kostet 14 Euro, ist gebunden, hat ein Lesebändchen und 160 Seiten. Marie zu Dohna hat es illustriert, Ursula Heeke hat es lektoriert. Die ISBN-Nummer lautet 978-3-649-64106-3. Weitere Informationen, Pressestimmen und außerdem eine Leseprobe sind hier.