Allgemein, Frankfurt
Der Sommerspezialist
Was ist die ideale Sommerlektüre? Christoph Schröder ist Literaturkritiker, etwa für die „Süddeutsche Zeitung“, “Journal Frankfurt” und „Die Zeit“ tätig. Und damit ein Sommerspezialist. Denn was viele mit der warmen Jahreszeit verbinden – Bücher lesen – tut er das ganze Jahr. Allerdings sind Bücher für ihn kein reines Vergnügen. „Das Lesen als Urlaubsgefühl ist für mich schwierig, weil es immer mit Arbeit verbunden ist.“ So kennt auch er den Wunsch nach einer Pause im Sommer, sagt er im Bayerischen Rundfunk in der Sendung „Die Unterbrechung ist die Vollendung“ von Georg Magirius. – Die Sendung jetzt hören. -Allerdings arbeitet er selbst im Urlaub. Nur fühle das sich dann anders an, wenn er morgens für eine Stunde E-Mails beantwortet, vielleicht eine Rezension schreibt und schon bald den Computer zuklappt. Und dann? “Ich sitze im Schatten oberhalb des Meeres, trinke Wasser oder Kaffee, schaue auf die Wellen und lese.”
Martin Walser am Bodensee
Der Tipp von Sommerspezialist Schröder für die ideale Lektüre im Urlaub: Keine Sommeranthologie, kein Regionalkrimi, der am Meer spielt. Auch wenn Verlage schon vor Jahren herausgefunden hätten, dass das marketingtechnisch hervorragend funktioniere. Nur sei er dann ja schon am Meer und im Sommer. Die Bestätigung dessen, was er ohnehin erlebe, locke ihn beim Lesen kaum. Wobei es durchaus reizvoll sein könne, wenn ein Buch und der Ort der Lektüre sich gegenseitig durchdringen.
Ich lese wahnsinnig gern Martin-Walser-Romane am Bodensee. Das ist fantastisch, weil ich glaube, man versteht in dem Augenblick, in dem man dort ist, diese Romane tatsächlich erst ganz. Man lese einmal ein „Fliehendes Pferd“ im Strandbad von Nussdorf. Und man weiß sofort, wie das gemeint ist. Martin Walser wohnte ja auch 300 Meter neben diesem Strandbad in Nussdorf. Und man versteht Martin Walser besser, wenn man ihn am Bodensee liest.
Christoph Schröder, Literaturkritiker
Ideal bei Sonne: “Die Nacht unterm Schnee”
In der Regel aber sei für ihn der Lesegewinn, wenn ein Buch einen Kontrapunkt bilde. So empfiehlt er für den Sommer das Buch “Die Nacht unterm Schnee” von Ralf Rothmann, einem seiner Lieblingsschriftsteller. „Es schließt eine Trilogie ab, die in den Kriegsjahren spielt, die auch autobiografisch gefärbt ist dahingehend, dass er die Geschichte seines Vaters und seiner Verwandten erzählt.“ Gerade idyllische Momente, wie man sie im Urlaub erlebe, könnten für eine Lektüre öffnen, die über eine Gegenenergie verfüge, also das eigene Denken und Empfinden aufbreche und transzendiere.
Verblüffend: Technische Neuheit für Leseliebhaber
Dass Literatur zu einer Weitung führt, beweist der Literaturkritiker mit seiner eigenen Person. Wie sonst könnte ein studierter Philosoph und Literaturwissenschaftler die Idee zu einer technischen Erneuerung haben, die Lärm an seinem Arbeitsplatz an der Schweizer Straße mitten in Frankfurt verblüffend wirkungsvoll ausbremst? Weit über Frankfurt hinaus dürften ihm viele Beifall spenden für seine Anti-Lärm-Erfindung, die Schröder in den folgenden 16 Sekunden umfassend erklärt: