Die Richtung der Rebellion

Viele sogenannte spirituelle Impulse sind auf Ausgleich und Harmonie bedacht. Gut gemeint ist allerdings nicht immer gut getröstet. Das sagt Georg Magirius am Karfreitag, den 7. April 2023 im Hessischen Rundfunk. Und zwar in der Reihe Camino in seiner Sendung „Der Tod als Lehrer für das Leben“. Nicht wenige fühlten sich von solchen Aufmunterungen, die Störendes übergehen, nicht ernst genommen. Anders eine Spiritualität, die trösten will, indem sie nicht beschwichtigt: Sie öffnet einen weiten Raum. Dort sind Wut, Aggression und Rebellion erlaubt.

Vom Beschwichtigen zum Singen

In solch einen weiten Raum weist das Buch der Psalmen. Auf Deutsch heißt es „Buch der Lieder“. Es ist das wichtigste Gebetbuch der Juden und Christen. Und gilt als Weltliteratur. In diesen Liedern ist das Überschwängliche selbstverständlich. So wird die Wucht des Todes nicht relativiert. Man konstatiert stattdessen Schmerz, Ungerechtigkeit und Einsamkeit. Die Lieder tun nicht so, als ob Menschen nicht zu schlimmsten Taten fähig wären. Doch alles Üble in der Welt veranstalten sie nicht, dafür sind die Psalmen zu realistisch. Stattdessen trauen sie Gott Schlimmes zu. Was keine Passivität zur Folge hat, sondern das Gegenteil: Diese Lieder regen dazu an, der Rebellion eine Richtung zu geben, nämlich die eigene Ohnmacht und Wut in Richtung Himmel zu schreien.

Vom Gerede zum Rufen

Die rebellische Seite der Spiritualität ist laut Magirius keine Abkehr vom Glauben, auch keine vernachlässigbare Spezialität oder gar Abseitigkeit, sondern dessen Intensivierung, vielleicht sogar der Herzschlag einer lebendigen Spirtualität. Es wird nicht mehr über Gott gesprochen, sondern Gott angesprochen, angegangen, angeschrien. So rechnet man nicht mit dem Erstbesten im Leben, sondern unterbricht einmal das Rechnen. Und beginnt zu warten. Etwas zu erwarten. Alles. Das Leben. Weil man Gott nicht aus der Verantwortung entlassen will, den man an sein Versprechen erinnert, sich der Welt im Guten zuzuwenden. Bei der rebellischen Spiritualität handle es sich somit letztlich um ein indirektes Geständnis der Liebe. – Die Worte der Psalmen und die Gedanken von Georg Magirius treten in der Sendung in einen Dialog mit Kompositionen von Philip Glass, interpretiert von der Harfenistin Lavinia Meijer. Foto: Pixabay. Die Sendung als Podcast hören.

Die Richtung der Rebellion: Das Buch

Die Sendung ist inspiriert vom Buch “Gesänge der Leidenschaft”. Georg Magirius hat es im Claudius Verlag veröffentlicht. Es hat 160 Seiten und kostet 12 Euro 90. Heide Warkentin und Dr. Dietrich Voorgang haben es lektoriert. Die ISBN-Nummer lautet 978-3-532-62467-8. Weitere Informationen, Pressestimmen und Bestellmöglichkeiten sind hier.