Biblisches

Die Tugend des Zweifelns

Auffallend selten scheint in Westeuropa die Frage nach Gott geworden zu sein. Um sie geht es der halbstündigen Sendung “Was fehlt, wenn Gott fehlt” von Georg Magirius im Bayerischen Rundfunk. Die Sendung jetzt hören. Das Manuskript lesen. Die Frage nach dieser Leerstelle wirkt wie der Aufbruch in ein Land, das Reiseveranstalter nicht im Angebot haben. Selbst gut ausgestattete Forschungsteams wagen dorthin kaum Wege zu suchen, wofür es Gründe gibt. Denn: “Wer das Wort in den Mund nimmt, wirkt wie ein Exot oder setzt sich dem Verdacht aus, auf fundamentale oder gar fundamentalistische Weise sicher zu sein”, heißt es in der Presseankündigung des Bayerischen Rundfunks über das Feature am Pfinfstsonntag. “Ansonsten löst die Gottesfrage Fremdheit, Stummheit, Achselzucken aus”, sagt in der Sendung der Essayist, Theologe und Psychologe Stefan Seidel.

Die neue Sehnsucht nach einer alten Frage

Die Tugend des Zweifelns: Stefan Seidel ist einer der Protagonisten der Sendung "Was fehlt, wenn Gott fehlt" im BR. Foto: Georg Magirius

Womöglich sind Sprachlosigkeit, Unsicherheit und die Tugend des Zweifelns aber gar nicht mal die schlechtesten Begleiter, um sich neu dem Transzendenten anzunähern, überlegt Seidel. Denn die Skepsis schütze vor einer überkommenen Form von Religion, die von oben herab angebliche Wahrheiten verkündet. In seinem Buch “Grenzgänge” hat Seidel in Gesprächen mit Künstlerinnen, Literaten und schöpferischen Theologen das Unendliche umkreist. Bei der neuen Sehnsucht nach einer alten Frage helfe überraschenderweise die Bibel, sagt der Theologe Egbert Ballhorn. Denn viele ihrer Texte zeigten, wie sehr man Gott vermisst und mit wie viel Scheu und achtungsvoller Vorsicht man von ihm spricht. Und der Würzburger Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Psychotherapeut Oliver Hechler behauptet: Die Sehnsucht nach Segen und einem liebevollen Angesehenwerden würde gegenwärtig sogar wachsen. Nur sei sie nicht mehr an bestimmte Orte oder Institutionen gebunden.

Wann und wo läuft die Sendung “Was fehlt, wenn Gott fehlt”?

Der Theologe Egbert Ballhorn ist einer der Protagonisten der Sendung "Was fehlt, wenn Gott fehlt". Foto: Georg Magirius

Die Sendung “Was fehlt, wenn Gott fehlt” über die Tugend des Zweifelns ist im Bayerischen Rundfunk am Pfingstsonntag, 28. Mai 2023 auf Bayern2Kultur zu hören. Außerdem um 9.05 auf BR-Heimat, als Podcast in der BR-Audiothek und der ARD-Audiothek in der Rubrik “Religion – Die Dokumentation”. Die Redaktion haben Sabine Winter und Matthias Morgenroth. Die Regie hat Sabine Kienhöfer und das Produktionsmanagement liegt bei Ingrid Schillinger. Musikalisch tritt die Sendung in Dialog mit den Stücken „Pavane pour une infante défunte“ und “Alborada del gracioso” (Morgenlied des Narren) von Maurice Ravel, interpretiert von François-Joël Thiollier auf dem Piano.