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Heilige Hausarbeit
Der Schriftsteller Lorenz Marti hat wie kaum ein spiritueller Autor sonst die Türen zu einer Spiritualität geöffnet, die das Gewöhnliche achtet. Das schreibt Georg Magirius in der sächsischen Wochenzeitung “Der Sonntag” vom 21. Mai 2023. Die Redaktion des Beitrags “Wo ist der Himmel?” hat Stefan Seidel. Marti ist vor drei Jahren am 27. Mai 2020 im Alter von 68 Jahren gestorben. Die Suche nach heiligen Momenten ist für den Schweizer laut Magirius stets erdverbunden gewesen. So habe er in weise Sätze spiritueller Meister seine nie ganz perfekten Erfahrungen mit Kaufhäusern, Himmbeerbonbons oder Smalltalk eingefädelt. Beispielhaft für Martis unnachahmlichen Umgang mit Spiritualität sei seine Interpretation des Staubsaugens. Dabei handle es sich um eine als heilig zu verstehende Hausarbeit, die in den besten Momenten sogar heitere Züge tragen könne.
Pfannen und Töpfe
Zu der fast visionär zu nennenden Sicht auf die Mühen der Hausarbeit kam er durch seine Sympathie für Mystikerinnen und Mystiker. Deren persönliche Erfahrungen würden helfen, Religiöses nicht als Ansammlung einzutrichternder Satzwahrheiten zu verstehen. Es seien nie fest zu machende Annäherungen ans Heilige. Nur so etwas wie Levitationen, wie sie auch von Mystikern überliefert werden, stießen ihn ab: Über den Erdboden schweben? Das war für ihn kein Ziel. Genauso wenig Bilokationen, also an zwei Orten gleichzeitig sein zu können. Angesprochen fühlte sich Marti davon, dass eine Mystikerin wie Theresa von Avila Gott bat, vor genau solchen Erfahrungen verschont zu werden. Sie bezeichnete Gott einmal als Herrn der Töpfe und Pfannen, das gefiel Marti.
Staubsauger
Dabei konnte Marti, der als Redakator für das Schweizer Radio gearbeitet hat, Theresa von Avila mit seinem spirituellen Blick auf das Alltägliche manches Mal vielleicht sogar noch übertreffen. So nannte er seinen Staubsauger Franz Fridolin, wobei seine Frau als Namen Franz vorschlug und er Fridolin ergänzte. Damit hoffte er, seine gelegentliche Wut auf die Hausarbeit zu besänftigen. Zumal ein Staubsauger infolge eines Fußtritts die Fähigkeit zum lautstarken Atmen eingebüßt hatte: er ging kaputt. Zu Respekt und Achtung des Staubsaugens regte ihn die Klosterregel Benedikts an, mit alltäglichen Geräten nicht anders als mit Heiligem Altargerät umzugehen. „Wenn ich an Franz Fridolin denke, muss ich bei diesem Gedanken allerdings fast lachen. Mein Begleiter hat so gar nichts Heiliges an sich.“ Aber was den Staubsauger heilige, sei wohl auch eher der Umgang mit ihm, überlegte Marti. „So ziehe ich mit Franz Fridolin durch das Haus, lasse ihn brüllen und übe mich in heiterer Gelassenheit. Vielleicht kommt einmal der Moment, wo mir diese Arbeit sogar Freude macht.“ Das vollständige Porträt in der Zeitung “Der Sonntag” lässt sich hier lesen.