Franken, Stille
Der Frieden ist nah

Der Frieden ist nah. Manchmal fährt ein Bus dorthin. Oder ein Zug. Man muss nur rechtzeitig aussteigen. Das schreibt Chefredakteur Ralf Julke in der Leizpiger Zeitung, indem er auf „33 überraschend friedliche Wanderungen“ von Georg Magirius hinweist, die dieser in seinem Wegbegleiter „Frankenfreude“ vorstellt.
Das ist eigentlich das Beruhigende an diesen 33 Tipps, die eben anders als die üblichen Reiseführer nicht das Ziel für das Erstrebenswerte erklären, sondern das Unterwegssein. Denn wer im Spaziergängertempo unterwegs ist, kommt wieder zu sich selbst. Es ist auch das Tempo, in dem sich am besten denken lässt. Und bei dem keine Bremsen quietschen und kein Stau entsteht, wenn man einfach mal stehen bleibt und eine Wiese mit Schachblumen bestaunt. Oder sich auf die Rundbank unter der 250-jährigen Eiche setzt und genießt, dass man so völlig zwecklos in die weite Landschaft schauen kann.
Ralf Julke, Chefredakteur der Leipziger Zeitung, Rezension “Frankenfreude”

Ein Wanderführer empfiehlt das Stehenbleiben
Allerdings habe doch mancher etwas gegen solch ein Gehen, zu dem Magirius anregt. Außerdem sieht er auch noch das Stehenbleiben als entscheidenden Teil der Wanderbewegung an. Damit setzt er den Verzicht aufs Vorwärtskommen auf keinen Index. Stattdessen ermutige er, wovor viele Angst zu haben scheinen. Magirius wage beim Wandern eben noch viel mehr – oder weniger – als nur zu wandern. Zum Beispiel Schauen, Hören, Warten. Und dann? „Da fühlt er sich fast wie im Märchen“, schreibt Julke. Auch solche Empfindungen brauchen nicht krampfhaft ausgeschlossen werden, wenn einer unterwegs zum Frieden ist.

Wie im Märchen
Wobei das Märchenhafte nicht nur entsteht, weil Magirius’ Reise-und-Stehenbleib-Begleiter Märchenlandschaften wie Spessart, Odenwald, Haßberge und Steigerwald vorstellt. Sondern: Märchenhaft wird es, weil er gerade nicht touristisch aufpolierte Märchenfotos und im Dauerfrühling erstarrte Landschaftsbilder präsentiert. Stattdessen schildere er, wie es eben ist. Im Winter zum Beispiel winterlich – und damit ohne Blätter an den Bäumen. „So schaut er auf das scheinbar über dem Fluss schwebende Schloss Homburg, auf alte Mühlen oder die Wasserkaskaden in der Klingelbachschlucht bei Triefenstein.“

Frieden ohne Forderungen
In alten Märchen und heutigen Märchenempfindungen sei nicht alles gut. Der Unfriede nicht ausgeschlossen. Das ist jedoch der Grund, warum Märchen entstanden und bis heute lebendig sind. Weil sie den Unfrieden nicht leugnen, ihm aber die Alleinherrschaft streitig machen. So sei zum Beispiel auf einmal gegen die herrschende Logik anderes wichtiger als die nahe Autobahn. Dabei erfährt der Märchenwanderer, wie die rasende Lärmlogik dank einer lärmschluckenden Schlucht entmachtet ist. Mit einem Mal ist inmitten tosender Winterwassermassen eine Stille, die nichts verlangt und fordert.
Der Wanderer empfindet ein wenig nach, wie sich die Menschen gefühlt haben dürften, als sie noch nicht in Automobilen durch die Welt eilten, als wäre Zeit nicht nur Geld, sondern immer auch verlorenes Geld. Denn etwas anderes treibt ja die Neuzeitbewohner nicht zu dieser lärmenden Hatz als die tief sitzende Angst, nicht genug Silberlinge gesammelt zu haben. Dass das Leben dabei vorbeirauscht und man nicht mehr zur Besinnung kommt – das kümmert nur die, die gemerkt haben, wie ruhelos, krank und nervös diese Jagd nach dem goldenen Glanz macht. Und dass man da eigentlich nicht mehr zu sich selbst kommt, zu eigenen Gedanken, Emotionen, Freuden. Und so, wie Magirius die jeweilige Wanderung schildert, ist jede eine Art eines Ankommens ein Hinlaufen zu dem Moment, an dem man wieder staunend auf die Welt schaut. Und merkt: Man ist selbst da. Hier und jetzt.
Ralf Julke über “Frankenfreude” in der Leipziger Zeitung
Das Buch Frankenfreude

Der vollständige Artikel “33 überraschend friedliche Wanderungen in Franken” von Ralf Julke in der Leipzger Zeitung vom 7. August 2023 ist hier. Das besprochene Buch “Frankenfreude – 33 überraschend schöne Orte” von Georg Magirius ist unter dem Lektorat von Melanie Zeuß und Thomas Häußner im Würzburger Echter Verlag publiziert. Es ist broschiert, hat 144 Seiten, viele oft großformatige Fotos und kostet 14 Euro. Die ISBN-Nummer lautet 978-3-429-05842-5. Weitere Informationen und eine Leseprobe sind hier.