Franken, Neues Leben
Krafthöhle Moos-Monolith
Kipp-Punkte können für neue Orientierung sorgen. Das schreibt die Redakteurin Sabine Schömig in der Adventsreportage „Von Glitzersteinen und kleinen Wundern“ im Main Echo vom 2. Dezember 2023. Viele fürchteten den Verlust des Gleichgewichts. Doch wer einmal aus der Balance gerate, überdenke seine Bewegungsmuster und könne dadurch in eine gute Richtung weitergehen. Das zeige sich bei einer Wanderung bei Aschaffenburg mit dem Theologen und Schriftsteller Georg Magirius zur Krafthöhle Moos-Monolith.
Nicht immer geradewegs
Die Tour folgt “dem Glattbacher Kulturweg, doch nicht strikt”, bemerkt die Journalistin und Kolumnistin der Knautschzone. Denn: “Das ist nicht die Art von Georg Magirius, der regelmäßig spirituelle Wanderungen mit Gruppen unternimmt und dafür eigens eine Wanderschule gegründet hat, die er GangArt nennt.” Der Rundweg bei Glattbach hat den Advent im Blick.
Ärger hilft
Süßliche Weihnachtslieder in Dauerschleife auf Weihnachtsmärkten oder kitschige Reklame mit Weihnachtsmännern, die durch tief verschneite Landschaften stapfen. Die ganze verkitschte Idylle nervt mich zunehmend und zugleich ärgere ich mich, dass ich dieser Art von Romantik gar nichts (mehr) abgewinnen kann. Gerade mein Ärger aber freut den Theologen Georg Magirius. Er findet, mein Adventsverdruss sei ein Wegweiser, ein “Kipp-Punkt”. “Kipp-Punkte sind Momente, an denen wir uns spüren, an denen wir aufmerksam werden, an denen wir ins Wanken geraten, ins ‘Kippeln'”, sagt er. “Und das ist gut so”. Mein Ärger sei sehr berechtigt. Und zeige: So will ich es nicht haben! Also wie wäre es mit in den Wald gehen – statt auf den Weihnachtsmarkt? Vielleicht stoße ich ja dort auf den viel zitierten “Geist der Weihnacht”.
Sabine Schömig, Main Echo
Neue Sicht
Beispiele für Kipp-Punkte, die eine neue Richtung eröffnen, finden sich im Spessartwald bei Glattbach viele. Wo ein Orkan kahle Flächen hinterließ, entstand ein Biotop, um das sich viele kümmern: das Gaiswald-Biotop. Ein Kipp-Punkt kann auch ein Abbiegen vom Kreuzweg mit seinen Leidensstationen sein, das zeigt: Es gibt gewiss Wege, die man gehen muss. Oft sei da aber auch die Möglichkeit eines Abbrechens und Ausbrechens, eines Abzweigens aus der Qual heraus, die nur angeblich zwingend erforderlich ist. Oder es öffnet sich eine andere Sicht auf solch einen Weg, die einem mit einem Mal Ruhe gibt.
Schimmernde Quarzite
Manchmal lohnt es sich auch stehen zu bleiben und auf den von Blättern rutschigen Boden zu schauen. Oder unter die Blätter. Bei Glattbach zeigt sich dort, was dem Moder widerspricht. Das ist keine nett gemeinte Adventslyrik, schreibt Schömig: „Es sind Quarzite, auch Permatite genannt, Feldspat, der im harten Gneisgestein eingeschlossen ist und schimmert, wenn man ihn gegen das Sonnenlicht hält.“
Krafthöhle Moos-Monolith
Unweit eines Marienbilds hat Georg Magirius einen “Marienstein” entdeckt, wie er einen rund fünf Meter hohen, mächtigen, moosbewachsenen Monolithen tauft, der eine Einkerbung vorweist, unter der man sich wie das Jesuskind an seine Mutter Maria an den Stein schmiegen kann. “Das fühlt sich dann ganz beschützt an”, sagt er. Ich meine auch, sofort die Ruhe und Kraft zu spüren, die dieser Stein ausstrahlt.
Sabine Schömig, “Von Glitzersteinen und kleinen Wundern”, Main Echo
Sicheres Versprechen
Genug Kraft, sich wieder nach draußen zu wagen und mit neuer Sicherheit aufzutreten. Denn die Wochen vor Weihnachten sind ein Grund zur Vorfreude, selbst wenn sie immer mal ins Kippeln bringen. Doch kurz vor Schluss der Tour wartet noch ein Stein, der eine denkwürdige Zuverlässigkeit erleben lässt. „Wenn man versucht, auf ihm zu balancieren, dann spürt man, dass es nicht schlimm ist, mal ins Ungewisse zu ‘kippeln’, aus dem Gleichgewicht zu geraten,“, schreibt Redakteurin Schömig, die auch einen Roman veröffentlicht hat. Selbst wenn man ins Schwanken gerät: Die unruhige Oberfläche bleibt Teil des Felsens, der – tief in der Erde gegründet – Sicherheit verspricht.