Biblisches, Neues Leben
Neu beginnen
Jeder Sonnenaufgang regt an, neu zu beginnen. Das sagen die Theologen Georg Steins und Egbert Ballhorn am 1. Januar 2024 im Bayerischen Rundfunk in der Sendung „Der Anfang, der kein Ende kennt“ von Georg Magirius. Die Sendung jetzt kostenfrei hören. Die Redaktion hat Sabine Winter, die Regie Sabine Kienhöfer und das Produktionsmanagement liegt bei Ingrid Schillinger.
Vertrauen, dass es geht
Unermüdlich beginnen – diese Vorstellung kann allerdings zu Missverständnissen führen, sagt der Osnabrücker Alttestamentler Georg Steins.
Es bedeutet nicht: Ich selbst muss jetzt alles wieder neu machen. Das ist eine Haltung, die ganz schnell zu einer Überforderung führt. Dann steht am Horizont schon der Burnout. Sondern es hat angefangen und ich kann, ich darf mich auf etwas verlassen. Vielleicht ist das die große spirituelle Herausforderung und der Ort, wo spirituell etwas zu lernen ist: Nicht immer nur das Machen und auch nicht immer nur das Lassen, sondern das Vertrauen, dass es geht. Weil es schon begonnen hat. Ich denke, dass das geistlich eine ganz große Erfahrung ist, die anzunehmen nicht leicht ist.
Georg Steins (Foto: privat) im Bayerischen Rundfunk hören
Anfangen für Genießer
Hilfreich beim Vertrauen darauf, nicht alles selber machen zu müssen, ist ein Star der Weltliteratur, sagen Steins und Ballhorn: die Bibel. Ihr Verständnis vom Beginnen ist nicht besonders Gläubigen vorbehalten, sondern inspiriert Theaterleute, Bildende Künstler, Autoren und Filmschaffenden bis heute. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Bibel 73 Schriften umfasst. Sie zeigen eine erstaunliche Vielfalt des Anfangs. So gut wie jede Lebenssituation scheint sich in ihnen zu spiegeln, sagen die beiden Professoren für Bibelwissenschaft und Herausgeber des Buchs “73 Ouvertüren”. Einmal steht ein Ach am Anfang, da scheint nichts als Klage zu sein. Manche Ouvertüre der Bibel hingegen ist geprägt von einem fast zwangsneurotischen Ordnungssinn, bei dem es sich bei genauem Hinsehen allerdings un eine Kunst für Genießer handelt. Oft stehen Randfiguren am Anfang, also nicht die sonst gern gepriesenen Machertypen. Eine Schrift, sagt Ballhorn, beginnt mit einem Glückwunsch, der zum Handeln ermutigt:
Selig der Mensch, der sich nicht für das Böse entschieden hat. Es geht darum, dass ein Mensch eine Entscheidung auf seinem Lebensweg trifft. Und Nein sagt zu dem, was schlecht und was böse ist. Die Absage an das Böse, das ist eminent politisch. Es braucht ganz klare Kriterien und ein ethisches Menschsein, um das zu machen. Und so fangen die Psalmen an: Selig, der Mensch, der Nein gesagt hat zum Bösen.
Egbert Ballhorn im Bayerischen Rundfunk hören
Hilfloser Elternteil
In der Bibel gibt es außerdem Bücher, die das optimistische Verständnis vom Beginnen in Frage stellen, sagt Ballhorn, der an der Universität Dortmund lehrt und Vorsitzender des Katholischen Bibelwerks ist. Diese Bücher starten nicht schwungvoll, auch nicht inspiriert von stillem Glück, sondern bieten einen deutlichen Kontrast, etwa das Jesajabuch.
Da kommt aus dem Off eine Stimme, die sagt: „Ich habe Kinder groß gezogen. Und die haben mit mir gebrochen. Höret ihr Himmel, und höre, du Erde, meine Kinder sind mir weggelaufen.“ Das ist einer der für mich unglaublichsten Texte der Bibel, einige Verse weiter merkt man, wer da redet, das ist Gott selber! Gott spricht über die Beziehung zu den Menschen wie ein hilfloser, überforderter Elternteil über die Kinder, die sich nicht erziehen ließen und ihre eigenen Wege gegangen sind. Und es waren schlechte Wege. Hier ergreift Gott selbst das Wort und sagt von sich etwas, das überhaupt kein Wort der Macht, sondern der Machtlosigkeit und der Hilflosigkeit ist. Das ist für mich ganz berührend. Weil wir oft diese Bilder haben: Gott ist allmächtig, Gott kann alles. Hier aber haben wir ein Bild von Gott, der sich zurücknimmt und der fast um Rat fragt und seine Hilflosigkeit und Trauer in Worte packt.
Egbert Ballhorn auf Bayern 2 jetzt hören
Immer Anfang
73 Anfänge hat die Bibel. Doch selbst nach dem 73. Anfang, ausgangs der Bibel, da nun logisch betrachtet endlich einmal das Ende kommen müsste, ist noch immer die Kraft des Beginnens am Werk, sagt Steins. Das sei wohl das Merkwürdigste am biblischen Verständnis vom Anfangen: Es kümmert sich nicht ums Ende. Denn jeder Abschluss trägt in sich schon wieder das Beginnen, was dem Anfang den Charakter gibt, kein Ende zu kennen.
Am Ende sind die gleichen Gartenbilder da wie am Anfang der Bibel. Das ist ganz erstaunlich! Also am Ende haben wir wieder die Bilder aus der Natur. Wir haben die Bäume, die Quellen. Das heißt, wenn man das vergröbert und mutig zusammenfasst: In der Bibel ist immer Anfang. Sie hört nicht auf.
Georg Steins im Bayerischen Rundfunk in der Sendung “Der Anfang, der kein Ende kennt” jetzt hören
Die Licht-Bilder dieses Beitrags hat die Wanderschule GangART gespendet. Vielen Dank!