Religion und Poesie
Wie man am besten singen kann
Wie man am besten singen kann? Kinder sind vorbildhaft, weil sie unkomplizierter als Erwachsene den Mund aufmachen. Das sagt der Frankfurter Kantor Lukas Ruckelshausen im Bayerischen Rundfunk. Und zwar in der Sendung „Der Klügere singt – Über eine unverlierbare Gabe des Menschen“. Die Sendung von Georg Magirius vom 7. April 2024 auf BR2 ist jetzt in der ARD-Audiothek hörbar. Die Redaktion hat Sabine Winter, es spricht Ruth Geiersberger, die Regie hat Sabine Kienhöfer, das Produktionsmanagement liegt bei Ingrid Schillinger.
Ohne Hemmung
Ruckelshausen hat in den Frankfurter Kirchengemeinden Nied und Griesheim 2022 einen Kinderchor ins Leben gerufen. „Es ist überhaupt kein Problem, die Kinder solistisch vorsingen zu lassen. Wenn man fragt, wer will jetzt mal die Strophe allein singen, dann melden sich gleich zwei.“ Anders bei Erwachsenen, fügt er mit einem Schmunzeln hinzu: „Wenn man im Erwachsenenchor fragen würde, würde es erst mal dauern.“
Kinder nach vorn
Singende Kinder erfüllen damit, worum es auch dem ersten Gesangbuch in deutscher Sprache ging. 1524, also vor 500 Jahren, erschien es in Erfurt. Die Idee von Reformator Martin Luther: Nicht mehr allein der Priester sollte in der Kirche liturgisch agieren. Und auch nicht auf Latein, es sollte auf Deutsch gesungen werden. Denn es komme auf die Stimmen aller Gläubigen an. Inspiriert ist die Gesangbuchbewegung von der wiederentdeckten Idee vom Priestertum aller Gläubigen: Jeder darf und soll die frohe Botschaft rufen, von ihr sagen und singen. Das tun die sieben Kinder des Kinderchors aus dem Frankfurter Westen, der auch im Gottesdienst singt. Nicht etwa von den Gemeindebänken aus, sondern von vorn, erhöht vom Altarbereich aus – und damit gleichsam auf musikalische Weise predigend, jedenfalls von keiner niedrigeren Warte als ein Geistlicher.
Wie man am besten singen lernt: ohne Buch
Vorbildhaft an Kindern sei auch, dass sie auswendig singen, meint Ruckelshausen. Allein schon aus pragmatischen Gründen. Denn sie, die oft gerade erst lesen lernen, lenke ein Buch beim Singen eher ab und bilde ein Hindernis. Allerdings klinge ein auswendig gesungenes Lied auch anders: besser.
Ich mache das auch mit den Erwachsenenchören so, dass ich immer wieder mal was auswendig singen lasse. Und das klingt dann plötzlich ganz anders, weil dann nicht mehr dieses Gefühl ist, ich singe jetzt, was hier aufgeschrieben ist, sondern ich singe, was in mir drin ist. Auf Englisch heißt auswendig singen: Singing by heart. Also ich singe nicht das, was ich gelernt, im Kopf habe, sondern ich singe, was ich im Herzen drin habe. Wenn ein Chor nicht mehr für seine Noten singt, sondern mit Blick nach vorn, dann merkt man: Ok, hier singen ganz viele andere Leute um mich herum, und man tauscht vielleicht Blicke aus bei ganz besonders schönen Stellen. Und dann wird das auch noch viel gemeinschaftlicher.
Lukas Ruckelshausen in der Sendung “Der Klügere singt” im Bayerischen Rundfunk hören
Die Sendung in der ARD-Auiothek hören
Die Sendung “Der Klügere singt” ist jetzt in der ARD-Audiothek abrufbar. Der Kinderchor der Evangelischen Kirchengemeinden Nied und Griesheim ist mit mehreren Liedern zu hören. Außerdem erklären die Kinder, was Singen ist, wie es sich anfühlt und was es bewirkt. Neben dem Chor ist der Hymnologe Ansgar Franz vom Mainzer Gesangbucharchiv zu hören. Außerdem Psalmenforscher Egbert Ballhorn und Kantor Simon Daubhäußer, die in der Dortmunter Propsteikirche Gottesdienste zusammen gestalten, in denen Psalmen gesungen werden. Schließlich kommt der Poet und Pfarrer Friedrich Karl Barth zu Wort. Von ihm stehen mehrere Lieder in den aktuellen Gesangbüchern der beiden großen Kirchen. Er erzählt und singt davon, was die vielleicht wichtigste Eigenart des melodiösen Mundaufmachens ist: Sprachlosen ein Wort, Traurigen ein Lied und Stimmlosen Stimme geben.