Neues Leben

Und siehe es war schön bunt!

Einst schien alles klar: Die Gesellschaft besteht aus Familien, mit Vater, Mutter und Kindern (Plural!). Und jetzt? Das Leben ist bunter geworden. Darum geht es in dem neuen, bei Vandenhoeck & Ruprecht veröffentlichten Buch „Und siehe, es war schön bunt!“. Christina Krause, Christine Lanz, Alexandra Wörn, Harald Becker und Joachim Ruopp haben den Band erstellt, das Vorwort hat Friedrich Schweitzer verfasst, gewiss einer der renommiertesten Forscher im religionspädagogigischen Bereich der jüngeren Zeit. Vieles sei in Bewegung geraten, schreibt er: Die Zahl der Singles habe stark zugenommen. “Gleichgeschlechtliche Paare finden eine offizielle staatliche Anerkennung, seit 2017 auch in Gestalt der gleichgeschlechtlichen Ehe.” Menschen, die anders sind – auch im Blick auf ihr Geschlecht – machten ihre noch immer häufig erfahrenen Leidensgeschichten öffentlich und klagten ihre Rechte ein. Und doch: Mag vieles in Bewegung geraten sein, seien die Farben oft künstlich bunt.

Schönheits-OP als Abigeschenk

Schönheit-OPs gehören längst nicht mehr nur zu Hollywood, sondern fungieren mitunter als Weihnachtsgeschenk oder als Präsent zum Abitur. Der Körper wird zum Projekt, für dessen Gestaltung jeder und jede selbst Verantwortung übernehmen soll.Menschliche Perfektionierung, die keine Grenzen zu kennen scheint. Alles gut? (Friedrich Schweitzer in: “Und siehe, es war schön bunt!”)

Vom Recht auf Unterschiede

Die Texte des Bands geht es um die Frage der Identität. Sie greifen Facetten des Lebens auf wie Körperlichkeit, Geschlechterrollen, Familienbilder oder das Arbeitsleben. Dabei zeigt sich, schreibt der Herausgeber: Der Mensch kann und darf unterschiedlich leben, worauf nicht zuletzt das christlich-biblisch grundiertes Verständnis vom Leben hinweist.

Ein Jahr ohne Spiegel

Das Recht auf Unterschiede wird in dem Buch dank unterschiedlicher Autorinnen und Sichtweisen eingelöst. Die Soziologin Kjerstin Gruys berichtet, dass sie ein Jahr auf einen Spiegel verzichtet und dadurch ihren Selbstwert gestärkt hat. Wie sie sich im letzten Moment gegen eine Schönheits-OP entschieden hat, erzählt die Bloggerin Louisa Dellert. Berrin Ileri, die in Berlin im IT-Bereich arbeitet, trägt Kopftuch, seit sie 30 ist. Die Entscheidung hat bei ihr zu einem Gefühl der inneren Zufriedenheit geführt. Weniger zufrieden ist sie damit, dass „die muslimische Frau die einzige Person auf der Welt ist, die sich für ihre Kleidung rechtfertigen muss.“

Himmelwärts

Ebenfalls um ein Kleidungsstück geht es in dem Beitrag von Georg Magirius. Er schildert, angeregt von seinem Buch „Schmetterlingstango“, wie er seiner tot geborenen Tochter einen roten Strampelanzug anzieht. in dem sie beerdigt werden wird. Seine Gedanken fliegen weiter in Richtung Himmel, wenn er sie wiedersehen wird.

Auferstehung eines Strampelanzugs

(…) Julianes Strümpfe und Strampelanzüge, ihre beiden Mützen behielten wir im Haus. Ein Kleid aber ist verschwunden und dennoch geblieben, wie auch Juliane verschwunden und geblieben ist: ein Strampelanzug in Dunkelrot, weiß gestreift, darauf ein Bär genäht. Als das Kind seinen Fußabdruck im Babypass hinterlassen hatte, zog ich ihm dieses Rot an. Der Strampelanzug war sehr real, genau wie Julianes Hand, ihr Kopf, alles war extrem wirklich. Nun liegt sie im Wald, in der Erde. Und da ich sie gehalten habe, hielte ich es für einen Verlust, wenn es beim Hoffen auf ein Weiterleben einzig um die Seele ginge (…) (aus: Georg Magirius, Auferstehung eines Strampelanzugs, in: “Und siehe, es war schön bunt!”

Der gesamte Text “Auferstehung eines Strampelanzugs” findet sich in der Leseprobe auf der Seite des Verlages hier.