Neues Leben
Zerbrechliches lässt hoffen
Hoffnung ist zerbrechlich, heißt es oft. Womöglich verhält es sich eher umgekehrt: Zerbrechliches lässt hoffen, behauptet Georg Magirius im Bayerischen Rundfunk. Und zwar in den „Gedanken zum Tag“ vom 10. Januar 2025. Die Redaktion der Tagesgedanken, gesendet auf BR1 und BR2 und bis zum 17.1.25 auch als Podcast hörbar, hat Sabine Winter. Das Produktionsmanagment liegt bei Ingrid Schillinger, die Regie hat Sabine Kienhöfer. Das vollständige Manuskript ist hier.
Mehr als eine Farbe
Magirius geht von einer Welt aus, in der es mehr als eine Farbe gibt. Sie ist zum Staunen, nicht utopisch, sondern erfahrbar, sogar gestaltbar.
Als Kind fühlte ich mich wunderbar aufgehoben, wenn ich in fremde Welten aufbrach. Ich saß vor einem weißen Papier und malte. Das Besondere war nicht nur das Malen selbst, sondern auch die Instrumente, mit denen ich Farben und Figuren hinterließ. Heute ist die kindliche Lust am Malen verschwunden. Fast!
Versprechen
Denn noch immer stellen Stifte die Diktatur der Tasten, Bildschirme, Apps und Animationen in Frage.
Gelegentlich greife ich zum Bleistift, nutze ihn, um eine Notiz zu machen, eine Telefonnummer aufzuschreiben. Auch Buntstifte verwende ich. Dann sitze ich nicht am Schreibtisch, sondern im Sessel, um ein Schriftstück mit Markierungen zu versehen. Ich hebe Worte heraus, umrahme und schraffiere sie, trage Signale und Zeichen ein, um das Verfasste später möglichst lebendig vorzutragen. Die Stifte dienen der Arbeit. Und doch spüre ich bald wieder wie als Kind ihr Versprechen, alles zu können.
Überraschend: Die Größe des Versprechens speist sich aus etwas, das viele für vollkommen unbedeutend halten.
Am vielleicht intensivsten spüre ich die Freude, noch ehe die Malarbeit beginnt. Allein schon die Buntstiftbüchse zu öffnen, versetzt in Schaffenslaune. Ich gebe ihr aber nicht gleich nach. Denn erst werden die Stifte gespitzt. Es ist, als ob alles von Neuem beginnen darf.
Stark, nicht stahlhart
Die Größe der noch nie exakt so da gewesenen Hoffnung zeigt sich dank der Mine. Sie ist scharf, aber nicht stahlhart, gerade deshalb stark.
Wenn ich über die Mine streiche, spüre ich eine noch nie berührte Schärfe. Sie ist zerbrechlich, kann feine Spuren hinterlassen, gibt sich hin, verausgabt sich, nutzt sich ab, fängt immer wieder an. Sie ist in der Lage, fantastisch schöne Welten entstehen zu lassen. Vielleicht kann besonders gut Hoffnung geben, was empfindsam ist?
Zerbrechliches macht Freude
Die Gedanken zum Tag sind angeregt von Georg Magirius‘ Buch „Einfach freuen – 24 Momente gegen die Rastlosigkeit“, das unter dem Lektorat von Thomas Häußner im Echter Verlag erschienen ist. Gestaltet hat das Buch Christine Eisner. Pressestimmen und weitere Informationen sind hier. Die Fotos stammen von Michael Schwarzenberger und Lady Lioness. Das vollständige Manuskript findet sich auf den Seiten des Bayerischen Rundfunks hier. Den Beitrag als Podcast hier hören.