Frei statt fit

Wenn die Kirchen eine fertige Wahrheit verkünden, verschwinden sie ganz, sagt der Theologe und Psychologe Stefan Seidel im Hessischen Rundfunk am 23. Februar 2025. Und zwar in der Sendung „‘Gott ist mehr als ein Wohlfühlfaktor‘ – Was der Gottesglaube bedeutet“ von Georg Magirius. Der Beitrag fragt dabei danach, warum „Frei statt fit“ ein hilfreiches Lebensmotto ist. Die Sendung als Podcast jetzt hören. Die Redaktion hat Dr. Lothar Bauerochse. Ein kirchlich verkündeter Absolutheitsanspruch rufe Abwehr hervor oder werde mit Achselzucken quittiert, sagt Seidel. Mit „Grenzgänge“ hat er ein Buch über heutige, eindrucksvoll vielfältige Suchbewegungen nach dem Göttlichen veröffentlicht.

Mündig statt klein gemacht

Den Bedeutungsverlust der Kirchen alter Prägung bedauert Seidel nicht. Religion sei bis ins 20. Jahrhundert und teilweise noch heute ein Phänomen, das Menschen einengt, entmündigt, klein macht und mit Ängsten besetzt. „Die Emanzipation von der Religion oder der Kirche ist deshalb eine Fortschrittsgeschichte der Mündigwerdung und Starkwerdung des Menschen.“

Frei statt fit

Allerdings lauerten in der neuen Freiheit Fallen, weil viele mit ihrem religiösen Sehnen bei Angeboten zur Selbstoptimierung landen. Sie versprechen Techniken, kombiniert mit übersinnlichem Beistand. Das Problem: “Wenn der versprochene positive Effekt nicht einritt, nennen wir ihn einmal Helungseffekt, stimmt etwas mit deiner Energie oder der Verbindung zum Universum nicht. Und schlimmstenfalls bist du auch noch aus irgendwelchen Vorleben schuldig! Diese Schuld wird dann mit voller Wucht auf das Individuum zurückgespiegelt und sein Leiden am Ende womöglich noch vergrößert.“ Eine echte Religiosität versuche nicht unentwegt dem Leiden zu entkommen, es zu überwinden oder ihm vorzubeugen. Das Befreiende einer echten Religiosität sei es, nicht nur die schönen und fitten Seiten zu bejahen, die Leistungsseiten, sondern das ganze Leben. „Das Göttliche befähigt mitten im Leiden.“

Die Sendung mit Oliver Hechler, Stefan Seidel und Egbert Ballhorn als Podcast jetzt hier hören. Die Redaktion hat Dr. Lothar Bauerochse. Die Klangcollagen am Anfang und Ende der Sendung hat das Tonstuadio der Heilspraxis in Frankfurt am Main unter Leitung von Georg Magirius gemischt, die Regie des Features hat Sabine Kienhöfer. Foto (c) Georg Magirius.